Ich bin es leid
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Er bedankte sich für das GaLaBau-Bilder-Wörterbuch, das eine der wenigen Hilfen auf dem Weg gewesen sei, ihm aber beim Umgang mit Ämtern und Kommunikation irgendwann auch nicht mehr geholfen habe.
Nun sind wir nie davon ausgegangen, dass das Buch jedes mit der Integration einhergehende Problem löst. Wir haben es seinerzeit konzipiert, um nur eines der Probleme anzugehen: die Vermittlung von Fachsprache. Aber bereits als es darum ging, das Werk zu finanzieren, ist uns schnell klargeworden, woran dieses Land wirklich krankt: Es fehlt schlichtweg an Menschen, die Lust darauf haben, Probleme zu lösen. Es ist bequemer, sich zwischen den Leitplanken der vorgegebenen Regeln und Abläufe zu bewegen, als die Augen aufzumachen, die Probleme zu erkennen und sich zu überlegen, wie man sie lösen kann. Und dabei bin ich weit davon entfernt, das beliebte Politikbashing zu betreiben. Ich meine uns alle; also mehr oder weniger uns alle.
Ich hatte seinerzeit vorgeschlagen, das Buch anderen Branchen vorzustellen. Wir hätten das Konzept kostenlos zur Verfügung gestellt (obwohl es viel Zeit verschlungen hat – in erste Linie meine Zeit). Ich habe mit Ministerien gesprochen, mit der Arbeitsagentur, mit dem Bundesamt für Migration. Es gab Lob, es gab Interesse, aber es gab nie jemanden, der verantwortlich war. So blieb es beim GaLaBau-Bilder-Wörterbuch. Keine Version für Kommunen, für die Gastro, für die Pflege. Es bleibt allein auf weiter Flur.
Das GaLaBau-Bilder-Wörterbuch ist nur ein kleiner Indikator für unser nationales Dilemma. Vieles wäre gar nicht so schwer zu lösen, wenn es ausreichend Leute wollten oder bereit wären, die Lösungen zu sehen. Das Buch steht stellvertretend für die vielen ungelösten Probleme dieses Landes, um die lieber Schlammschlachten geführt werden, statt sich der Lösung zu widmen.
Wer, wie ich, auf das abgelaufene Jahr aus dem Blickwinkel eines lösungsorientierten Mitmenschen zurückblickt, hat es schwer, sich nicht frustrieren zu lassen. Und ehrlich gesagt, bin auch ich es manchmal leid. Ich bin es leid, dass Kompetenz durch Lautstärke und Anstand durch Skrupellosigkeit ersetzt wird. Ich bin die Sonntagsreden ebenso leid wie die stumpfsinnigen Parolen von denen, die eh noch nie etwas Konstruktives zur Gesellschaft beigetragen haben. Ich bin das dumpfe Nachgeplapper hohler Phrasen genauso leid wie die Bequemlichkeit derjenigen, die einfach nur ungestört bleiben wollen. Ich bin die politischen Ränkespiele leid, die nie Gesellschaft und Zukunft im Sinn haben, sondern immer nur den eigenen Machterhalt. Ich bin das Gejammer leid um jede wegfallende Subvention, als sei es selbstverständlich, dass der Staat bestimmte (und zum Teil sehr fragwürdige) Privilegien protegiert. Ich bin noch vieles mehr von dem leid, was uns davon abhält, unsere Zukunft konstruktiv zu gestalten.
Aber ich werde mich trotzdem nicht entmutigen lassen. Ich hoffe, Sie auch nicht. Wir haben in der Blitzumfrage für diese Ausgabe nach Ihren Vorsätzen gefragt. Ich habe welche. Und ich würde mir wünschen, dass wir uns in diesem Jahr wieder auf unsere Stärken besinnen. Dass wir weniger auf andere zeigen und uns stattdessen fragen, was wir selbst tun können. Dass wir um Lösungen ringen, statt uns zu beschimpfen. Dass wir aufhören, alles als selbstverständlich anzunehmen, nur weil es zufällig da ist. Es ist nichts selbstverständlich. Es geht uns verdammt gut. Und wenn das so bleiben soll, müssen wir endlich den Arsch hochkriegen und etwas dafür tun.
- User_MTI4NTU3MQ 23.01.2024 12:25Hallo Herr Wendebourg, es kann einem schon mal der Hut hochgehen. Ich möchte mich aber bei Ihnen sehr für das gute GaLaBau-Bilder-Wörterbuch bedanken, das ich mir vor einiger Zeit zugelegt habe. Nicht nur im Umgang mit Personen, die nicht aus unserem Sprachkreis kommen ist das Buch eine wertvolle Hilfe, sondern ganz allgemein in der Ausbildung zum Gala-Bauer und vor allem zum Werker. Selten hat man ein so gutes Handwerkszeug, um die Auszubildenden zu unterrichten. Lassen Sie sich nicht entmutigen! Herzliche Grüße M. BertramAntworten
- User_MTg4MDUzNw 20.01.2024 21:13Wie wahr. Danke für die klaren Worte. Treffender geht es nicht! Jetzt brauchen wir nur noch eine zündende Idee, wie wir die Adressaten ins Tun bringen, wie wir Menschen dazu bringen, wieder Verantwortung zu übernehmen. Wieso ist uns das denn so abhanden gekommen? Sind wir zu satt?? Wir machen trotzdem weiter. Mit Schwung. Und Zuversicht. Vielleicht hilft es. Uns selbst auf jeden Fall! Sabine KlingelhöferAntworten
- TW 22.01.2024 08:21Liebe Frau Klingelhöfer! Das ist sicherlich eine gute Frage, die sich nicht so einfach beantworten lässt. Irgendwie scheint ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger das Gefühl zu haben, irgendwer wird sich schon drum kümmern. Das kann zum fatalen Irrtum werden, wenn sich keiner mehr kümmert oder es die Falschen tun. Schauen wir also, dass beides nicht passiert. Viel Erfolg dabei und viele Grüße, Tjards WendebourgAntworten
- User_OTQzOTI1 10.01.2024 08:30Hallo Herr Wendebourg, auch ich bin es leid, deshalb ist Ihr Kommentar nach meinem Herzen! Ja, wir müssen endlich wieder den Arsch hochkriegen, Lösungen anstelle Probleme finden und Lautstärke durch Intelligenz und Empathie ersetzen. Gerne werde ich mich auch in 2024 wieder auf den Weg machen, ohne erhobenen Zeigefinger die alltäglichen Probleme zu lösen und dabei versuchen, das große Ganze nicht aus den Augen zu verlieren. Danke! Achim StockermannAntworten
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