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Integrierte Fassadenbegrünung

Die Erfindung der Hochkant-Wiese

Die Familie der Fassadenbegrünungssysteme hat ein neues Mitglied. Im südbadischen Breisgau, kurz vor der deutsch-französischen Grenze, haben sich ein Landschaftsgärtner und ein Betonsteinhersteller zusammengetan. Herausgekommen ist der Missing Link zwischen Fassadenbegrünung und Hochbau, der gleichzeitig die vorhandene Natur in die Vertikale bringt.
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Bereits kurz nach der Fertigstellung nimmt es die Vertikalbegrünung an der Werkshalle in Sachen Grün mit der angrenzenden Landschaft auf.
Bereits kurz nach der Fertigstellung nimmt es die Vertikalbegrünung an der Werkshalle in Sachen Grün mit der angrenzenden Landschaft auf.grünwand GmbH
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Am Oberrhein klettern im Sommer die Temperaturen manchmal schon vormittags auf fast 30 °C. Sich gegen die Hitze zu schützen, ist hier schon länger wichtig, der Klimawandel erhöht den Druck. Klaus Wegenast, Inhaber einer Landschaftsbaufirma in Freiburg, tüftelt seit mehreren Jahren an der optimalen fassadengebundenen Begrünung. Mit seiner ersten Entwicklung, der greencityWALL, baut er gerade Deutschlands größte Grünfassade. Die lebenden Pflanzenteppiche senken durch ihre Verdunstung die Umgebungstemperaturen und isolieren die Gebäude auf natürliche Weise gegen Hitze im Sommer und Kälte im Winter.

Für den Landschaftsgärtnermeister aber steht der ökologische Nutzen einer Gebäudebegrünung an erster Stelle: „Man muss sich fragen: Warum machen wir das, was ist unser Ziel? Wollen wir nur einen schönen grünen Anblick?“ Wegenast beschreibt seine Motivation so: „Wir wollen einen ökologischen Mehrwert schaffen, der auch für die Zukunft gilt.“ Dazu gehören für ihn eine nachgewiesen nachhaltige Materialauswahl und die Förderung der Biodiversität – das alles zu einem konkurrenzfähigen Preis.

Die vertikale Blumenwiese

Noch sind die Quadratmeterpreise für eine Fassadenbegrünung deutlich höher als ohne. Um ein wirtschaftlicheres Produkt zu erhalten, hat sich Wegenast mit dem namhaften Betonhersteller zusammengetan, der BiF – Birkenmeier Fertigteile GmbH. Mit einem grau-grünen Fertigteil aus Betonelement und Bepflanzung lässt sich einiges an Kosten und Planungsaufwand einsparen. Für das Prinzip grünwand.de sind die Pflanzkörbe werksseitig direkt auf die Betonscheibe montiert. Wie bei der greencityWALL wird dafür ein erdbefüllter, 30 cm starker Substratkörper zwischen einer Styrodurplatte und einem verzinkten Gitterrost senkrecht gestellt. In den schräg gestellten Lamellen entstehen winzige Pflanztröge, groß genug für angeflogene Samen aller Art. Der dahinter befindliche Erdkörper bietet genug zusammenhängendes Volumen für die Wurzeln, das hält die Pflanzen stabil im Korb.

Durch die offenere Gitterroststruktur ist mehr Austausch unter den Pflanzen und auch zur umgebenden Natur möglich. So gelingt es den Pflanzen, Ausläufer zu bilden, und sich auf der vertikalen Konstruktion leicht zu vermehren; die Vegetation entwickelt sich schnell zu einem dichten Teppich. Mit dem eingeflogenen Saatgut aus der Umgebung kann sich die Pflanzengesellschaft selbst regulieren, auf Dauer soll sich eine regional typische Vegetation etablieren. Bereits im zweiten Standjahr scheint die Vielfalt an Kräutern, Einjährigen und Wildstauden höher als in den angrenzenden Flächen. Während ein monotoner Maisteppich das Feld nebenan bedeckt, findet man an der Wand auf 1.500 m² gelbes Johanniskraut, weiße Schafgarbe und Septemberkraut, blaue Platterbsen und Natternkopf. Immer wieder stechen die imposanten Kandelaber der Königskerzen heraus und im grünen Geflecht zeigen sich pro 10 m² erste kleine Gehölze wie Flieder oder Hartriegel.

In kurzer Zeit hat sich ein biodiverses Habitat für Mikroorganismen und Pflanzen gebildet, das einen autarken Lebensraum nicht nur für Insekten, sondern auch für andere kleine heimische Tierarten bietet. „Damit bauen wir zum ersten Mal wirklich Natur in der Vertikalen“, meint Wegenast und freut sich über die ersten Kleinsäuger und Eidechsen, die er an der Grünfassade gesichtet hat. Auf der Oberkante der vollständig bewachsenen Pflanzkörper haben sich in diesem Jahr auch zwei Falken angesiedelt.

Gepflegt wird die vertikale Fläche zweimal im Jahr per Hubarbeitsbühne, im September wird die ganze Wiese mit der Heckenschere geschnitten, zwei Arbeitskräfte erledigen das in zwei Tagen.

Die erste Wand steht

2021 wurde das System gleich beim Bau der neuen Produktionshalle für die Firma Birkenmeier getestet. Der Freiburger Energiedienstleister Badenova unterstützte die Entwicklung des Projekts mit 150.000 € aus seinem Innovationsfond.

Nachdem die Stützen für die zukünftige Halle gestellt waren, wurde unter einem Zeltdach die erste Produktionsstraße für die Betonelemente eingerichtet. 16 % der Ausgangsstoffe bestehen aus recyceltem Beton, für den Energieschlucker Zement werden bereits Zementersatzstoffe wie beispielsweise Phonolith verwendet.

Per Kran kamen die hier produzierten, 2,50 × 9 m großen Stahlbetonscheiben auf die andere Seite der entstehenden Fassade. Hier warteten bereits die Gitterkörbe, mit einer Mischung befüllt aus 75 % Mutterboden vom Baufeld und Pflanzsubstrat. Für ein ansprechendes Bild war die Initialpflanzung eine wellige Grundstruktur mit Lavendel, verschiedenen Carex, Waldsteinia und Rosmarin.

Statischer Einzelnachweis entfällt

Damit das Substrat in den 1 × 1 Meter-Körben nicht mit der Zeit zusammensackt, braucht es während des Einfüllens eine intensive Wässerung. Die bepflanzten Körbe sind in Doppelreihen an die integrierten Schienen der Betonscheiben gehängt. Die Anker dafür sind statisch auf das Gewicht des Erdvolumens samt Pflanzenmasse mit Gehölzen bis zu einer Höhe von 300 cm gerechnet. Damit entfällt die Berechnung des sonst notwendigen Einzelnachweises, was wiederum Kosten einspart. Die anfallenden Lasten werden in den Stahlbetonwandscheiben abgetragen, es findet keine zusätzliche statische Belastung des Gebäudes statt.

Pro Tag wurden so elf Fertigelemente montiert, nach fünf Montagetagen waren alle grünwand.de-Fertigteile an ihrem Platz. Zeitgleich konstruierten und fertigten die anderen Gewerke die übrigen Fassadenteile. Bei zukünftigen Bauwerken sorgt das gewerkübergreifende, seriell hergestellte Baukastensystem für eine geringe Bauzeit. Vor Ort kann das Grünwandfassadenteil nach gewöhnlicher Fertigteilbauweise schnell und einfach montiert werden; der Einsatz eines Baugerüstes ist nicht nötig. Durch das teilweise Verwenden der 350 m³ Bodenaushub für die Erdmischung ließ sich einiges an Deponiegebühr und Transport sparen, was der CO 2- Bilanz zugutekommt.

Die große Offenheit der Gitterroste lässt mehr Wasser verdunsten als in anderen Begrünungssystemen. Beim Prototyp läuft die Bewässerung über zwei Rinnensysteme, die das Regenwasser von der Attika des Daches in den Substratkörper leiten. Das Wasser durchwandert, wie bei einer normalen Entwässerungsmulde, die belebte, hier aber horizontale Bodenschicht und verschwindet dann im darunterliegenden Versickerungsstreifen. Die Grünwand wird im Entwässerungskonzept als Retentionspuffer angerechnet. Nach langen Trockenphasen wird das hochbelastete erste Regenwasser so doppelt gereinigt.

Bei Starkregenereignissen allerdings läuft das Wasser durch den gesättigten Bodenkörper zu schnell hindurch. Dafür fehlt in den langen Trockenphasen immer wieder Wasser, wofür eine zusätzliche Tröpfchenbewässerung notwendig ist. „Das Verfahren hat sich in dieser Weise nicht bewährt. Eine Fassadenbegrünung geht zwingend nur mit einer Regenwasser-Zisterne und einem Bewässerungssystem“, hat Wegenast aus vielen Versuchen gelernt.

Bewässerung schafft Brandschutz

Die Dauerfeuchte des bewässerten Erdkörpers war dann auch entscheidend für die Genehmigung durch die Brandschutzbehörde. Damit wurde in Niederrimsingen eine Ausnahmegenehmigung erreicht – wegen der fehlenden bautechnischen Zulassung ist das die derzeit übliche Verfahrensweise bei Fassadenbegrünungen.

Adrian Birkenmeier, Architekt und einer der beiden Geschäftsführer von grünwand.de, sieht das größte Potenzial für den Einsatz des graugrünen Moduls bei den Industrie- und Gewerbebauten: „Die Industriegebiete gehören mit zu den heißesten Bereichen in Städten.“ Da die Bauweise für Lagerhallen und Produktionsstätten in der Regel eher einfach und weniger gestaltungsorientiert ist, seien hier die Spielräume für Architekten größer, Fassaden mit Pflanzstrukturen zu gestalten. „Außerdem können hier vergleichsweise kostengünstig vertikal wirklich große Flächen begrünt werden, die sonst ökologisch vakant blieben.“

Auch optisch lassen sich die oft eintönigen Hallen am Übergang zur Kulturlandschaft oder an den Stadträndern auflockern und fügen sich so besser in die angrenzenden ländlichen Bereiche ein.

Das Material Pflanze ist für viele Hochbauplaner Neuland. Als Architekt versteht Adrian Birkenmeier deren Angst vor der lebendigen Grünfassade. „Da gibt es einige technische Themen zu berücksichtigen, dies sollte aber nicht abschrecken, da es Lösungsansätze gibt.“ Eine bessere Zusammenarbeit zwischen Hochbau- und Landschaftsarchitekten oder Fassadenbegrünern könnte da hilfreich sein und Hemmschwellen abbauen. In seinen eigenen Wohnbauprojekten macht er gute Erfahrungen damit, das Thema Gebäudebegrünung so früh wie möglich anzusprechen.

Aber nicht nur die Fassadenbegrünung sorgt für einen kleineren CO 2 -Abdruck im Breisgau. Für die Fertigung in der neuen Halle wird 40 % der Energie über die auf dem Dach installierte Photovoltaik-Anlage erzeugt, Sonne gibt es hier genug. Seit 1. Juli 2022 ist eine Kapazitätserhöhung der PV-Anlage um weitere 10 bis 15 % möglich. Alles in allem eine Lösung, die vielen Gewerbegebieten oder auch Lärmschutzwänden gut stehen würde.

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