Der Herr der gebrauchten Steine
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Gerade kann er erst mal wieder nicht aufhören. Vor einigen Monaten kam von seinem Natursteinhändler ein Top-Angebot: 300 t gebrauchter Granit. Kleinpflaster. Aus der Tschechischen Republik. Oberpriller hat mit sich gerungen, ob er das Geld noch einmal anlegen und das Lager vollmachen soll. Denn mit dem Material würde er schon noch einige Anlagen bauen können. Am Ende haben die Lust am Gestalten und der Spaß am Handwerk gesiegt. Oberpriller macht weiter.
In der Vorstellung vieler Menschen nimmt die Vorfreude auf den Ruhestand großen Raum ein. Für den gelernten Mechaniker ist das dagegen keine Perspektive. „Weshalb aufhören und dann eine andere Beschäftigung suchen, wenn ich das, was ich tue, gerne tue?", lautet seine Gegenfrage auf die Frage nach dem Aufhören. Er hat sich für seine Leidenschaft ein eigenes Biotop aufgebaut; erst einmal nur für sich und nur solange, wie er arbeiten kann. Er hat alles, was er braucht, lebt das Leben, das ihm gefällt und macht die Dinge, die ihm Spaß machen. Dafür hat er sich Anfang der 80er-Jahre entschieden, als er erst auf Natursteinhandel umsattelte und dann 1985 begann, gebrauchten Granit in der Region wieder zu verbauen. Oberpriller hat einen eigenen Stil entwickelt, an dem seine Anlagen leicht zu erkennen sind. Und auf diese Anlagen stößt man überall in der Gegend. Es sind Eingänge und Auffahrten aus geschwungenen Pflasterlinien und Pflasterplatten, aus flachen, in Rampen integrierter oder übereinandergeschichteter Stufen und auf Mauern und Einfassungen aus Borden – und alles in der Regel gebaut aus gebrauchtem Material. Bis vor Kurzem hat er mit einer Ingenieurin zusammengearbeitet, die den Anlagen mit ihren Planungen und Bepflanzungskonzepten noch mal eine besondere Lebendigkeit gegeben hat.
Seine oder gar keine
Muss man sich Kundenwünschen anpassen oder ist man gar Erfüllungsgehilfe des Kunden? Für den Ergoldinger Unternehmer ist beides keine Option. Wer bei ihm kauft, kauft auch seinen Stil. Denn einerseits ist er von der Bautechnik überzeugt, andererseits steht er ja immer noch mit auf der Baustelle und war immer von der Idee beseelt, nur Sachen zu bauen, die ihm auch selber gefallen. Wer das nicht möchte, wird auch schon mal an einen Kollegen verwiesen. Das passiert ohnehin oft, weil sich der Niederbayer auf seine Kernkompetenzen, die Steinarbeiten, konzentriert. Oberprillers Devise lautet: „Wenn Sie ein Angebot haben wollen, müssens mitfahren, dann zeig ich Ihnen was und dann mache ich ein Angebot." Wer sich darauf einlässt, springt in der Regel auch nicht mehr ab.
Diese Radikalität in Sachen eigener Stil führt natürlich auch zu einer Selektion innerhalb der Kundschaft. „Wir haben einen Kunden, der sagt, wennst des mit dem Oberpriller kannst, dann ist recht, ansonsten musst des bleiben lassen", sagt der Unternehmer schmunzelnd. Viele Aufträge seien auch schon an ihm vorbeigegangen, gibt er zu. Weniger allerdings, meint er, weil er sich auf die eigene Gestaltungslinie beschränkt. Viele würden gar nicht erst nachfragen, weil sie ihn für zu teuer hielten. Bei großen Pflasterflächen sei er anfangs gar nicht hingefahren, weil er überzeugt gewesen sei „des machen die eh nicht". Dabei würden die Kunden für seine Leistung oft gar nicht mehr bezahlen, ist der Niederbayer überzeugt und zieht seine Beispielrechnungen hervor, in denen er beispielsweise Bauweisen mit L-Steinen oder Gabionen oder Betonpflaster mit solchen aus Granit vergleicht. Ein gutes für seine Leistung ist dabei: „Das Geld für die Steine kriegst ja wieder. Das ist wie beim Goldpreis: Die gebrauchten Natursteine werden im Laufe der Zeit auch teurer."
Ein Beispiel für Nachhaltigkeit
Im Laufe der Zeit ist einiges an Projekten zusammengekommen. Die Oberprillers – Frau und Tochter leisten bei Marketing kräftig Unterstützung – haben die Projekte in Fotobüchern gesammelt, die der Unternehmer für die Kundenberatung nutzt. Darin sind auch Anlagen mit 20 und mehr Jahren Geschichte, die immer noch genauso bestehen und sich nur in Nuancen von aktuellen Projekten unterscheiden. Oberpriller bleibt sich treu und baut für die Ewigkeit.
Auf einen 45 cm starken Unterbau aus verdichtetem Wandkies (0/50), einem regional im Landkreis Erding anstehenden Kiessand, versetzt er die gebrauchten Steine in 5 cm Splitt 2/5. Alternativ wird die Frostschutzschicht aus Schotter 2/32 aufgebaut, den der Unternehmer im nahen Freising kauft. Da in der Umgebung kein Naturstein ansteht, sind aus Kies gebrochener Splitt und Schotter nicht nur nachhaltig, weil regional verfügbar, sondern auch dauerhaft. Die im Isar-Urstromtal abgebauten Kiese enthalten viel Quarz. Das Material ist deshalb von besonderer Qualität.
Den alpinen Fugensand bezieht er aus dem Inntal bei Kufstein. Auch bei dem Wandkies, der je nach Grube und Lage eine eigene Zusammensetzung aufweist, hat der Niederbayer seine eigene Philosophie; bezieht das Material nur aus ganz bestimmten Werken und Partien. Damit immer ausreichend Baustoff vorhanden ist, liegen auch Wandkies, Schotter und Splitt in ausreichender Menge auf dem Lagerplatz. Ein großer Zettelmeyer-Lader, den Oberpriller mal günstig erworben hat, macht selbst das Beladen seines 32 t-Lkws zum Kinderspiel. Gleichzeit blockiert das Fahrzeug den Zugang zu Oberprillers Steinreich.
Für den Pflasterbelag hatte er anfangs auch mit bulgarischen Steinen gearbeitet. Doch weil das Material zu viel Ausschuss enthielt, kauft er über einen Disponenten im Bayerischen Wald schon seit Jahren in der Tschechei ausgebaute Beläge. Manchmal verkauft die Stadt München aus ihren Beständen. Das Material aus diesen Quellen ist von besonderer Qualität: „Es gibt gebrauchte Steine, da könnte man theoretisch fünf Seiten verwenden. Bei manchen neuen Steinen kann man froh sein, wenn es eine tut", ist sein Credo. Kurze Lieferwege sowie ausdauernde Materialien und Bauweisen – seine Werke sind Ausweise der Nachhaltigkeit.
Ein Spezialist für Treppen
Zu beiden Seite der Isar steigt das Tertiäre Hügelland auf. Viele Projekte liegen in Hanglage und müssen über Rampen und Treppen erschlossen werden. Eine von Oberprillers Spezialitäten sind in das Gefälle eingebettete Stufen. Daran sind viele Auffahrten und Zuwegungen schnell zu erkennen. „Gehhilfen" nennt der Unternehmer die Bauwerke, die keine Treppe sein dürfen, aber die Benutzung der Gefälleflächen auch im Winter erleichtern. Dafür kombiniert er gebunden – meist in Trass – versetzte Großpflasterzeilen mit Kleinpflasterbelägen. „Wenn ich jünger wäre, würde ich nur Treppen bauen", sagt er schmunzelnd und erzählt Geschichten von Projekten, bei denen sich ältere Menschen wieder vor die Haustüre trauen, weil sie sich im Freiraum wieder sicher fühlen. „Die niedrigen Stufen sind die Zukunft, weil die Leute immer älter werden."
„Wir lange haben nicht gewusst, wo wir rechtlich stehen", sagt der Unternehmer, dessen Steigungen manchmal innerhalb einer Treppe variieren und sich dem unterschiedlichen Gefälle des Geländes anpassen. Bis runter auf 9 cm Steigung und 50 cm Stufentiefe treibt Oberpriller das Spiel; oft noch mit einem Bequemlichkeitszuschlag. Entscheidend sei ja nicht die Steigung, sondern das Schrittmaß. Und je leichter es eingehalten werden könne, desto bequemer sei auch die Treppe. Man dürfe Menschen vorher nur nicht sagen, dass es unterschiedliche Stufen gibt, dann würden sie unsicher. Intuitiv nimmt der Benutzer auch unterschiedliche Stufenhöhen problemlos, wenn das Schrittmaß eingehalten wird. Podeste brauche man bei seinen Stufen ohnehin nicht. „Du brauchst keine Podeste, sondern nur flache Stufen", ist sein Credo. „Wenn Du Dich absichern kannst, dass Du bei der Haftung raus bist, kannst Du eh machen, was Du willst", hat ihm ein Fachmann erklärt.
Immer auch Tüftler geblieben
„Wenn man so eine Firma hat – man kann nicht immer alles richtig machen. Jedes Jahr haben wir so eine Leiche dabei, die wo wir mitschleppen", sagt er schmunzelnd über seine Vorhaben, bei denen am Ende weniger heraussprang, als erwartet. Auf dem Bauhof steht dafür eine große Trommel als Denkmal. Der Unternehmer hatte sich überlegt, neue Granitsteine zu rumpeln, um von der begrenzten Verfügbarkeit der Second-Hand-Ware unabhängig zu werden. Am Ende fehlte die Zeit, das Projekt zu Ende zu bringen – und irgendwie war auch immer genug gebrauchtes Material vorhanden.
„Wir haben derzeit auch wieder so a Leichen, des darf ich gar nicht sagen, wenn meine Frau dabei ist", sagt er lachend über einen großen Kofferanhänger, der als Magazin an den Lkw angehängt werden kann. Das Gefährt, mit dem der Unternehmer den zunehmenden Problemen mit Platz für Baustelleneinrichtungen begegnen will, muss nur noch zum TÜV gefahren werden.
Auch für das eigene Mischen von Beton tüftelt er an einer Lösung. „Wir verbrauchen relativ viel Beton und ich bin ein sehr großer Kritiker vom Fertigbeton", erklärt Oberpriller. Meistens funktioniere die Verzögerung nicht und er werde meist zu trocken verarbeitet. „Die meisten Betonschäden passieren, weil der Beton seine Güte nicht erreicht." Dieses Jahr will die Firma das meiste wieder vor Ort mischen.
Das Ende offen gelassen
Einmal im Jahr, im Sommer, laden die Oberprillers einen Winzer aus der Pfalz ein, der auf der Pflasterfläche im Oberpriller-Stil seine Weine präsentiert. Dann kommen Freunde und gute Kunden. Der Winzer hat auf biologischen Anbau umgestellt und passt damit zu Oberprillers Philosophie. Freizeit und Arbeit mischen sich ebenso, wie Kunden und Freunde.
Wie lange er noch weitermacht, weiß er noch nicht. „Solange, wie die Hände wollen", sagt er grinsend. Die Töchter haben studiert und auch der Sohn scheint sich eher anders zu orientieren. Bleibt seine rechte Hand, Artan Kelmendi, der seit 20 Jahren Steine in dem Unternehmen versetzt. Der gebürtige Kosovare spricht fließend Deutsch mit bayerischem Einschlag. Nur ein bisschen Angst vor der Organisation und den Investitionen hat er noch. Aber es spricht vieles dafür, dass er das Werk seines derzeitigen Chefs fortsetzt. Und solange der alte Hase noch als Berater zur Seite steht, dürften diese Ängste ohnehin unbegründet sein.
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Johann Oberpriller Garten- & Landschaftsbau
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