Geben Sie einen Suchbegriff ein
oder nutzen Sie einen Webcode aus dem Magazin.

Geben Sie einen Begriff oder Webcode ein und klicken Sie auf Suchen.
Einführung eines Arbeitsschutz-Management-Systems

Ein lohnender Prozess für alle

Selbst Betriebe, die Arbeitsschutz und -sicherheit schon immer ernstgenommen haben, können profitieren, wenn sie das Ganze in ein Arbeits-Management-System (AMS) überführen. Die August Fichter GmbH ist so ein Beispiel. Alle Bereiche und Mitarbeiter sind einbezogen und verbunden, Informationsfluss und Dokumentationen optimiert.
Veröffentlicht am
Dieser Artikel ist in der erschienen.
PDF herunterladen
Artikel teilen:

Als Unternehmen, das sich auf Großprojekte mit erhöhten Sicherheitsanforderungen spezialisiert hat, nahm die August Fichter GmbH GaLaBau, Straßenbau, Sportstättenbau aus Raunheim die Arbeitssicherheit schon immer sehr ernst. Die Zusammenarbeit mit externen Sicherheitskoordinatoren und Fachkräften für Arbeitssicherheit gehörte schon früh zu den Anforderungen der Projektvorbereitung und -durchführung. Üblich war es dabei, auf äußere Rahmenbedingungen zu reagieren, ohne diese in ein internes Arbeitssicherheitssystem zu integrieren. Das entsprach den gesetzlichen Vorgaben und Rahmenbedingungen, das Vorgehen war aber nur bedingt einheitlich.

Die Wende erfolgte im Rahmen einer Ausschreibung für ein großes Pharmaunternehmen im Rhein-Main-Gebiet. Als Voraussetzung für die Teilnahme an der Ausschreibung war die Zertifizierung entsprechend eines Arbeitsschutz-Management-Systems des zuständigen Unfallversicherungsträgers. Im Zuge der Ausschreibung zeichnete sich schnell ab, dass die Einführung eines solchen Systems und die damit verbundenen Akkreditierungsbedingungen im Umfang von erstmal einer Abteilung innerhalb des Gesamtunternehmens am besten handhabbar bleiben würde.

Die Abteilung Vegetationstechnik und Dienstleistungen wurde somit zum Vorreiter und führte Strukturen des Arbeitsschutzsystems ein, indem sie die Erfordernisse der Akkreditierung in die bestehenden Organisationsabläufe integrierte.

Dabei orientierten sich die Verantwortlichen am Handbuch der Sozialversicherung für Landwirtschaft Forsten und Gartenbau (SVLFG) und erweiterten dieses nach eigenen Erfordernissen. Vorteilhaft war auch der enge Austausch innerhalb der Firmengruppe mit dem Unternehmen August Fichter Rohrleitungsbau, Anlagenbau, Tiefbau. Dieses war bereits bei der zuständigen Berufsgenossenschaft BG BAU zertifiziert. Über die besonderen Anforderungen der jeweiligen Unternehmen hinaus konnte man von den Erfahrungen im Zertifizierungs- und Umsetzungsprozess profitieren.

Erste konkrete Schritte

Zunächst wurden verantwortliche Personen benannt, um eine personelle Struktur für den Einstieg zu schaffen. Entsprechend der gesetzlichen Vorgaben gründete sich ein Arbeitssicherheitsausschuss. In dessen Rahmen wurde wiederum die betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung festgelegt. Sicherheits- und AMS-Beauftragte wurden ernannt und geschult, sowie Prozesse definiert, um die Rechte und Verpflichtungen von Mitarbeitergruppen im Arbeitsschutz festzulegen. Leitende Personengruppen erhielten Unternehmerpflichten (Bauleiter, Poliere etc.). Der Austausch innerhalb der Firmengruppe diente dazu, Prozesse zu erstellen und etablieren, aber auch um Baustellenordner und Formblätter (zum Beispiel zur Unfallmeldung) vorzubereiten und anzupassen.

Viel wichtiger als die reine Theorie war jedoch der Austausch darüber, wie man all die Bestrebungen in der Praxis realisiert und diese gelebt werden können. Natürlich wurden im Arbeitsalltag bereits die Vorgaben des Arbeitsschutzes angewendet, allerdings ohne die konkreten Vorgaben eines Arbeitsschutz-Management-Systems zu kommunizieren. Es galt nun, die Erfordernisse des neu entstandenen Systems in die Praxis umzusetzen, sukzessive in den Arbeitsalltag einzubauen, dabei aber eine gleichbleibende Effizienz und Produktivität in den Bauprojekten zu gewährleisten.

Ziel war es, den Arbeitsschutz als alltägliche Routinen einzuführen. Ebenso wie es üblich ist, einen Kantenstein zu setzen oder einen Radlader zu bedienen, sollte beispielsweise das routinierte Überprüfen der Einhaltung von Unfallverhütungsvorschriften oder die zweijährige Schulung von Ersthelfern zu den regelmäßigen Aufgaben im Arbeitsschutz gehören. Mit wachsender Erfahrung war der Betrieb in der Lage, die eingeführten Prozesse zu optimieren, und gleichzeitig die Akzeptanz zu steigern.

Bewusstsein schaffen

In der Praxis bedeutete das aber erstmal Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit. Auch wenn die meisten Mitarbeiter bereit waren, sich nach den neuen Vorgaben und Prozessen zu richten, musste dennoch bei allen klar werden, welche Vorteile dieses System für den Arbeitsalltag mit sich bringt. Einige Prozesse mussten im Nachgang noch angepasst werden, um einen reibungsloseren Ablauf zwischen Baustelle und Büro zu schaffen. Auch die Dokumentation von Unterweisungen oder Beauftragungen nahm einige Zeit in Anspruch. In puncto Übertragung von Unternehmerpflichten war bei einigen die Skepsis groß, dass man ihnen zu viel zumuten würde, und man im Falle eines Unfalls als Vorgesetzter sofort haftbar sei. Zahlreiche Gespräche und Unterweisungen schafften jedoch Klarheit und räumten die Bedenken aus dem Weg. Aber auch dieser Prozess brauchte einige Zeit. Nicht zu vergessen ist, dass für jeden neuen Kollegen im Unternehmen all diese Schritte und Unterweisungen erneut durchlaufen und erstellt werden müssen.

Nach erfolgreicher Akkreditierung des Arbeitsschutz-Management-Systems in der Abteilung Vegetationstechnik und Dienstleistungen nutzte das Unternehmen die entstandenen Strukturen auch im Bereich des Neubaus und entwickelte sie weiter. Basierend auf den bisherigen Erfahrungen tablierten und verfestigten sich die grundlegenden Abläufe. Von vornherein war klar, dass beide Abteilungen unabhängig voneinander geprüft und bewertet werden würden.

Entsprechend lag das Augenmerk auf der äquivalenten Einrichtung der vorhandenen Strukturen mit abteilungsspezifischen Gegebenheiten. Waren es in der Abteilung Dienstleistung noch vorrangig vegetationstechnische Arbeiten in kleineren Teams, musste nun der Wechsel auf bautechnische Arbeiten erfolgen. Dazu kam, die organisatorischen Unterschiede zwischen den Abteilungen zu berücksichtigen. Durch die eher dezentralen Strukturen sowie die teilweise langen Bauzeiten der Abteilung entschied man sich dazu, alle AMS-relevanten Informationen in Form von Baustellenordnern zur Verfügung zu stellen. Auf diese Weise können Mitarbeiter jederzeit auf alle notwendigen Informationen zugreifen.

Eigene Fachkraft ausgebildet

Mit der zunehmenden Ausdifferenzierung entschied sich die Betriebsführung, das Arbeitsaufkommen auf mehrere Schultern zu verteilen. Eine weitere AMS-Beauftragte war notwendig, und man entschied, eine Fachkraft für Arbeitssicherheit aus den eigenen Reihen ausbilden zu lassen. Der Wechsel von externer zu interner sicherheitstechnischer Betreuung machte flexibler und die Fachkraft war schneller einsatzfähig. Ab diesem Zeitpunkt konnten auch große Themen wie die Integration von Nachunternehmern in das eigene Arbeitsschutz-Management-System angegangen werden. Auch diese sind dazu angehalten, die grundlegenden Arbeitsschutzstandards einzuhalten. Hierzu gehören der Nachweis der sicherheits- und arbeitsmedizinischen Betreuung, aber auch eigene Gefährdungsbeurteilungen oder Betriebsanweisungen. In der Praxis ist es nicht immer einfach, alle Nachweise zu bekommen, und die Einhaltung der Vorgaben variiert je nach Unternehmen. Es entstehen auch immer wieder Spannungspunkte, wenn die eigenen Mitarbeiter sich an alle Auflagen halten, aber mit einem Nachunternehmer zusammenarbeiten sollen, der dieses leider nur schleppend tut. Regelmäßige Gespräche und Kontrollen, aber auch der enge Austausch mit dem Kollegen auf der Baustelle sind notwendig, um gemeinsame Strukturen zu erarbeiten, und die Einhaltung zu überprüfen.

Zusätzlich konnte ein weiterer zentraler Meilenstein in Angriff genommen werden: Die interne Fachkraft für Arbeitssicherheit war ab sofort für alle Abteilungen des Unternehmens zuständig. Das ermöglichte eine schrittweise Zusammenlegung der aufgebauten Systeme, mit dem Ziel, Synergieeffekte zu erzeugen. Schrittweise entstanden gemeinsame ASA-Sitzungen und man versuchte, notwendige Qualifikationen gemeinsam zu organisieren.

Digitale Tools helfen weiter

Parallel zur Einführung des Arbeitsschutz-Management-Systems fördere die Geschäftsleitung die weitere Digitalisierung im Unternehmen. Dies spiegelte sich unter anderem im Arbeitsschutz wider. Man entschied sich für eine zentrale Datenbank zur Verwaltung der vorliegenden Dokumente. Glücklicherweise konnten die Verantwortlichen eine Softwarelösung für verschiedene Bereiche nutzen und gleichzeitig einen Datenaustausch ermöglichen. So konnte man auf der einen Seite eine Datenbank für die Arbeitssicherheit schaffen und gleichzeitig Verknüpfungen zur Maschinenverwaltung ziehen in Form von UVV-Nachweisen, EG-Konformitätserklärungen oder Bedienungsanweisungen, aber auch Expositionsgrenzwerten. Bei Bedarf lässt sich so kurzfristig eine kolonnen- oder baustellenspezifische Qualifikationsmatrix zur Vorlage beim Auftraggeber oder SiGeKo erstellen.

Mittlerweile sind weitere Anknüpfungspunkte auch mit anderen Unternehmen im Bereich Arbeitssicherheit entstanden. Die gewonnenen Erkenntnisse lassen sich austauschen und neu erworbenes Wissen wiederum ins eigene Unternehmen überführen.

Resümee und Ausblick

Die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Vorgaben der Unfallträger bieten ein Gerüst, an dem sich der Arbeitsschutz und die Prävention von Unfällen orientieren können. Der Betrieb muss eigene spezialisierte Wege finden, um ein funktionierendes System aufzubauen und zu etablieren. Das Rad muss, wie in so vielen anderen Bereichen, dennoch nicht neu erfunden werden. Im Austausch mit anderen Abteilungen, Unternehmenseinheiten oder externen Unternehmen lässt sich das passende System entwickeln. Dabei können im Idealfall auch gemeinsame Projekte oder Maßnahmen entstehen, beispielsweise gemeinsame Qualifikationen oder ein übergreifender Gesundheitsschutz.

Ein entscheidender Faktor im Gelingen von Arbeitsschutzmaßnahmen ist eine Führungsebene, die hinter den entwickelten Prozessen steht und bereit ist, die Maßnahmen in die tägliche Routine zu übernehmen. Nur wenn das System tatsächlich in der Praxis gelebt wird, können Erfolge erzielt werden. Man muss sich von vorne herein darüber bewusst sein, dass ein solches System ständig weiterentwickelt und angepasst werden muss. Jede Baustelle, jedes neue Arbeitsverfahren, jede neue Maschine ist für sich genommen zu betrachten und zu beurteilen. Arbeitssicherheit muss so integriert werden, dass Arbeitsabläufe eher verbessert als verzögert werden, selbst wenn das zu Beginn erstmal nicht immer möglich ist. Zudem lassen sich Unfälle oder gefährliche Situationen nicht generell vermeiden. Aber man kann gezielt die Wahrscheinlichkeit des Eintretens und die Folgen positiv beeinflussen.

Ein positiver Nebeneffekt ist, dass im Zuge der Einführung eines Managementsystems auch alle angrenzenden Systeme hinterfragt und daraus Rückschlüsse gezogen werden können. Und schließlich kann alles, was man selbst erlernt und verinnerlicht hat, an andere Unternehmen weitergegeben werden.

Die Autoren
Dr. Christina Waldeyer Diplom-Pädagogin. Bei Fichter seit 2018 unter anderem tätig als AMS-Beauftragte, zuständig für Fort- und Weiterbildung. Alexander Waldeyer Meister im GaLaBau. Seit 2016 bei Fichter tätig als AMS-Beauftragter, Ausbilder GaLaBau und Bürokaufmanagement sowie Fachkraft für Arbeitssicherheit.
Arbeitssicherheit
Info

Unternehmen sind verantwortlich

Die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter sind zweifelsohne ein, wenn nicht das wertvollste Kapital eines Unternehmens. Entsprechend sind viele Betriebe in der Gesundheitsförderung und Verhütung von Gesundheitsgefahren engagiert. Auch der Gesetzgeber hat über das BGBI (Gesetz über Betriebsärzte, Sicherheitsingenieure und andere Fachkräfte für Arbeitssicherheit) festgelegt, dass Arbeitgeber/Unternehmer Fachkräfte für Arbeitssicherheit (FaSi) bestellen müssen. Zu den Aufgaben des FaSi gehört es, das Unternehmen in Fragen des Arbeitsschutzes und der Unfallverhütung zu beraten.

Die Ausgestaltung der Anforderungen im Arbeitsschutz wird wiederum von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) und in den Qualifikationslehrgängen der jeweiligen Berufsgenossenschaften präzisiert. Obgleich also die Rahmenbedingungen des Arbeitsschutzes weitgehend ausdifferenziert sind, obliegt es den Unternehmen selbst, die jeweiligen Maßnahmen in ein schlüssiges System innerhalb ihrer Organisation zu integrieren und für alle Mitarbeiter zu einer nachvollziehbaren und nutzbringenden Institution zu machen, die sich entsprechend der Anforderungen des Unternehmens und der jeweiligen Mitarbeiter weiterentwickeln kann. Ein solches System kann nicht in kurzer Zeit aus dem Boden gestampft werden. Es benötigt nicht nur die Akzeptanz und das Verständnis der Beteiligten, sondern auch die personelle Ausstattung und die Unterstützung durch den Unternehmer.

0 Kommentare
Was denken Sie? Artikel kommentieren

Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Schreiben Sie den ersten Kommentar.

Artikel kommentieren
Was denken Sie? Artikel kommentieren