Das Märchen von der Pflanze
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Was würden Sie von einem Stein halten, der sich in jeder Fläche anders verhält, nur bestimmte Steine neben sich duldet, sich bei guten Bedingungen ausbreitet und bei mangelnder Pflege verschwindet? Nicht viel, oder? Was wäre aber, wenn nur Sie wüssten, den Stein so zu verwenden, dass er ein wohlfeiles Bild abgibt und sich von Ihrer Hand zu den anmutigsten Bildern verlegen ließe? Sie wären ein allseits geachteter und wohl bezahlter Künstler, der von den wohlgeborensten Herrschaften zum Gestalten ihrer Latifundien beauftragt würde.
Sie würden sich einen Lehrjungen suchen, um Ihre Kunst weiterzugeben, würden schauen, dass Ihre Handschrift im ganzen Land zu bestaunen wäre. Neben den groben Mustern Ihrer Kollegen wäre Ihr Formenspiel schließlich eine Augenweide und für Ihre Fähigkeit würde Ihnen viel Anerkennung zuteil.
Nun gibt es keine Steine von solcher Beschaffenheit und trotzdem ist mein märchenhaftes Bild nicht annähernd so märchenhaft, wie es beim ersten Lesen scheint. Denn der Stoff, der für dieses Märchen taugt, den gibt es wohl. Er lebt, besteht wie wir aus Zellen, Zellkernen und Erbsubstanz und wird sehr profan in Plastiktöpfen, Containern, Ballenware oder aber wurzelnackt verkauft.
Allein, er bleibt oft ungenutzt. Denn der Wunsch, ein Handwerk zur Vollendung zu bringen, um sich selbst und dem Kunden ein Werk von vollendeter Schönheit und bleibendem Wert zu schenken, ist so verbreitet nicht mehr. Das lebenslange Lernen, das allenthalben gefordert wird, bleibt immer nur den anderen vorbehalten. Man selbst folgt lieber dem bereits ausgetretenen Pfad und verlegt die Steine, die immer das tun, was man von ihnen verlangt und die auch dort bleiben, wo man sie verlegt hat.
Doch eines ist gewiss: Wer sich die Mühe macht, die Kunst zu erlernen, mit lebenden Baustoffen sich stetig verändernde Kunstwerke zu erschaffen, welche die Menschen begeistern, der wird allseits geachtet und viel beschäftigt sein. Derselbe wird nicht über Preise feilschen müssen und wird immer jemanden finden, der bei ihm lernen möchte und muss sich um die Zukunft keine Sorgen machen.
So lassen Sie uns doch für das Jahr 2010 den Vorsatz fassen, uns wieder ein bisschen mehr mit unseren Wurzeln zu beschäftigen und der Pflanze unter allen Baustoffen einen Sonderplatz einzuräumen. Dann könnte auch dieses Märchen so enden, wie viele Märchen enden: „Und sie lebten glücklich bis an das Ende ihrer Tage.“
(c) DEGA GALABAU online, 6.1.2010Barrierefreiheit Menü
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