Geben Sie einen Suchbegriff ein
oder nutzen Sie einen Webcode aus dem Magazin.

Geben Sie einen Begriff oder Webcode ein und klicken Sie auf Suchen.

Die Qualität von Lecks

Veröffentlicht am
Dieser Artikel ist in der erschienen.
PDF herunterladen
Tjards Wendebourg
Tjards Wendebourg
Artikel teilen:

Dass der amerikanische Botschafter den deutschen Außenminister für inkompetent hält, ist keine Meldung, für die man wikileaks benötigt hätte. Spätestens seit Guido-ehemals-18-Prozent-Westerwelle die Öffentlichkeit an seinen Englischkenntnissen hat teilhaben lassen, teilen auch viele Deutsche diese Ansicht. Das ist so, wie wenn man Silvio Berlusconi in die Nähe der Mafia rückt und George W. Bush für den Einmarsch in den Irak wirtschaftliche Motive unterstellt: Alles nicht bis ins Letzte bewiesen, aber weit davon entfernt, unwahrscheinlich zu sein.

Andererseits ist es verständlich, dass die Wogen besonders hoch schlagen, wenn eine supranationale Plattform wie wikileaks deutsche Themen berührt. Nur wer ein bisschen genauer hinschaut, sieht, dass sich da gerade ein höchst spannendes Schauspiel abzeichnet, das in seiner Bedeutung weit über die Randnotizen hinausreicht, die US-Diplomaten ihrer Regierung in Bezug auf europäische Politiker mitgeteilt haben. Wir erleben die Geburt eines weiteren Kindes der Globalisierung. Das Netzwerk, das vor ein paar Monaten nur Insidern bekannt war, hat sich in der Kürze der Zeit, in der sich im Medienzeitalter Entwicklungen abspielen, zum größten potenziellen Gegenspieler von Großmächten, Großindustrie und anderer „Global Player“ gemausert.

Man kann es mit dem Vier-Buchstaben-Wurstblatt halten, das wikileaks einen „Verräter“ genannt hat und man muss garantiert nicht alles gut finden, was das Netzwerk veröffentlicht. Letztlich erleben wir aber auch ein Lehrstück dafür, mit welchen Mauscheleien („Hinterzimmerdiplomatie“) und Doppeldeutigkeiten („sagen wir es diplomatisch“) Politik funktioniert und was es für die Handelnden bedeutet, wenn sie wieder durch eine „4. Gewalt“ kontrolliert werden: Sie reagieren mit Gewalt; Regierungen durch staatliche Gewalt – wenn erst die Mafia drankommt – dann die auch mit physischer Gewalt. Wir werden es erleben.

Auch wir Redakteure können etwas lernen. Wikileaks erinnert uns daran, dass es nicht immer angenehm ist, auf der Seite der Kontrolleure zu stehen. Das, was die Springer-Fuzzis „Verräter“ nennen, ist andernorts ein „Nestbeschmutzer“; jemand, der eine unangenehme Meinung äußert. Wikileaks gemahnt uns aber auch daran zu denken, wie wichtig es ist, sich der Weichspülerei und Einlullerei in den Weg zu stellen. Denn wenn keiner mehr weiß, was Propaganda, PR oder Wahrheit ist, wird es schwer werden, sich eine eigene Meinung zu bilden. Und die ist essenziell für eine Demokratie. Die Fachwelt ist da übrigens ein mahnendes Beispiel: Wer sich quer durch alle Branchen – und der GaLaBau ist da keine Ausnahme – die Druckerzeugnisse ansieht, wird feststellen, dass viele davon nur noch zum Feuermachen taugen.

Mehr zum Thema:
0 Kommentare
Was denken Sie? Artikel kommentieren

Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Schreiben Sie den ersten Kommentar.

Artikel kommentieren
Was denken Sie? Artikel kommentieren