Ein Bonsai macht noch keinen Frühling
Haben Sie sich eigentlich schon mal gefragt, weshalb in so vielen Gartenbüchern Fotos der „Chelsea Flower Show" verwendet werden? Klar, die auf fünf Tage im Jahr dressierten Gärten zeigen sich in diesem Zeitraum von ihrer besten Seite. Es stehen keine ungewollten Gummistiefel, Schlauchtrommeln, Kinderfahrräder und Mülltonnen im Weg. Es gibt keine Hausbesitzer, die mit stillosen Leuchten und geschmacklosen Möbeln das Motiv versauen. Geld spielt ohnehin keine Rolle. Das sind alles gute Gründe. Doch der Hauptgrund fehlt.
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Der ist nämlich der: Von den Tausenden von Gärten, die jedes Jahr gebaut werden, ist nur ein Bruchteil präsentabel. Ziehen wir dann noch die Anlagen ab, bei denen der Auftraggeber eine Veröffentlichung scheut oder die Gestalter, aus Angst kopiert zu werden (was für eine urkomisch absurde Sorge!), die Weitergabe von Bildern verweigern, bleibt ein so geringer Rest, dass sich Buchautoren lieber an Chelsea halten. Diese Erkenntnis ist besonders vor dem Hintergrund tief traurig, als dass die Zahl der „Gartengestalter" wohl noch nie größer war wie derzeit.
Ich würde nicht zu dieser frustrierenden Aussage kommen, wenn ich es nicht jeden Tag mit eigenen Augen sehen würde; wenn ich nicht vor Bildern sitzen würde, die uns gute Unternehmen zum Zwecke der Veröffentlichung schicken; wenn ich nicht täglich verfolgen würde, was in der Branche passiert. Ich sage es mal so: Wenn ein Elektriker die Leitungen auf Putz verlegen und ein Maler mit Fingerfarbe streichen würde, wären sie als Handwerker gescheitert. Wir aber nehmen es als Standard hin, dass sich ein großer Teil unserer Produkte beharrlich jeder Regel von Gestaltungstechnik widersetzen. Und ich sage „wir" – nicht „die Hausmeisterdienste", wie es so gerne heißt.
Bekanntlich ist noch nie ein Meister vom Himmel gefallen. Doch was mich so ärgert, ist die mangelnde Bereitschaft anzuerkennen, dass die Fähigkeit zu gestalten von größter Bedeutung ist, wenn wir uns wirklich „Experten für Garten und Landschaft" nennen wollen. Mir fehlt die Selbstreflexion, der Wille, in die Weiterentwicklung zu investieren. Und es tröstet mich dabei nicht, dass der Kunde gestalterische Leistungen abzunehmen bereit ist, die man keinem anderen Gewerk abnehmen würde – einfach, weil er es nicht besser weiß.
Wenn wir uns wirklich zu dem weiterentwickeln wollen, was wir vorgeben zu sein, dann fängt dieser Weg bei der Selbsterkenntnis an – bei der Erkenntnis, dass Gestaltung nur zu einem kleinen Teil Geschmackssache, in Mehrheit aber die Summe technischer Regeln ist. Wenn wir das anerkennen, steigt vielleicht auch die Bereitschaft, in das Erlernen dieser Regeln zu investieren. Und vielleicht setzt sich dann auch die Erkenntnis durch, dass es der erste Schritt ist, wenn der Erfolg dauerhaft sein soll.
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