Geben Sie einen Suchbegriff ein
oder nutzen Sie einen Webcode aus dem Magazin.

Geben Sie einen Begriff oder Webcode ein und klicken Sie auf Suchen.
Kommentar | Tjards Wendebourg

Auf dem Weg in die Steinzeit

Schon immer war jeder vermeintliche Fortschrittsgegner mit einem Fuß zurück in der Steinzeit. Wer gezweifelt und gezaudert hat, war bestenfalls Bremser, wenn nicht gar Spinner. Doch zum wiederholten Mal zeigt sich, dass es immer gut ist, den Fortschritt auf die Probe zu stellen; zu fragen, wem er dient, was er kostet und wohin er führt. Denn wer die neusten Nachrichten zum Thema „Insektensterben" liest, dem kann Angst und Bange werden. Die Steinzeit sieht vielleicht ganz anders aus, als die Herolde des Fortschritts gedacht haben, und sie liegt vielleicht gar nicht in der Vergangenheit, sondern in der Zukunft.

Veröffentlicht am
Dieser Artikel ist in der erschienen.
PDF herunterladen
Bild: Volker Michael
Artikel teilen:

Denn das, was jeder in den vergangenen Jahren in zunehmendem Maß als nicht repräsentative Untersuchung an der Front seines Fahrzeugs beobachten kann, belegen Langzeitversuche in NRW. Dort haben Forscher über einen Zeitraum von 20 Jahren die Masse der gefangenen Fluginsekten gewogen und festgestellt, dass das Gewicht der in jedem Jahr gefangenen Tiere im Laufe der Zeit einfach mal eben um 80 % zurückgegangen ist. Statt 1,6 kg Insekten 1995 fanden die Forscher zuletzt nur noch 300 g Falter, Bienen, Schwebfliegen und andere Insekten in den Fallen in einem Krefelder Naturschutzgebiet. Das geht einher mit dem eingangs beschriebenen Phänomen der sauberen Scheinwerfer und Frontscheiben sowie dem starken Rückgang von Vögeln, besonders bei den Arten, die sich von Insekten ernähren.

Die Gründe für diesen krassen Rückgang der Insekten (Arten und Individuen!) sind vielfältig: Pestizideinsatz (besonders Neonicotinoide und andere Insektizide) in Landwirtschaft und Forst, stetig zunehmender Verkehr, ausgeräumte Landschaften. Und wenn ich dann in einschlägigen facebook-Foren lese, welche Tipps vermeintliche Fachleute Gartenbesitzern mit auf den Weg geben, die sich an Unkräutern und Ameisen stören, wundert mich nichts mehr: Da wird gespritzt, geputzt und gereinigt, als gelte es, den Freiraum zu sterilisieren und als gäbe es kein Morgen. Da ist sich jeder selbst und seinen persönlichen Ordnungsvorstellungen am nächsten. Es sei nur nebenbei erwähnt, dass viele dieser Tipps der jeweiligen Gesetzeslage widersprechen.

Auch wenn so mancher rechte Vogel jede Einschränkung der vermeintlich persönlichen Freiheit als „linksgrünversifften Unsinn" beschimpft – es wird Zeit, dass wir uns darüber im Klaren werden, dass in dieser immer dichter besiedelten Welt nicht mehr jeder seinen persönlichen Egoismus ausleben und seinem rücksichtslosen Gewinnstreben folgen kann. Wir müssen viel mehr über die Folgen eingesetzter Techniken gründlicher nachdenken, bevor wir sie nach dem Try-and-error-Verfahren ausprobieren. Sonst ist nämlich – ganz ideologiefrei – bald Schicht im Schacht. Und gerade wir Gärtner sollten ja nun wirklich ein deutliches Statement für Nachhaltigkeit setzen, statt die Jetztzeit in eine Steinzeit zu verwandeln.

Mehr zum Thema:
0 Kommentare
Was denken Sie? Artikel kommentieren

Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Schreiben Sie den ersten Kommentar.

Artikel kommentieren
Was denken Sie? Artikel kommentieren