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Kommentar | Tjards Wendebourg

Auf einen Kaffee mit der Reflexion

Heute Morgen beim Bäcker habe ich mich über einen Sanitärbetrieb gefreut. Die saßen zu acht am Tisch, tranken Kaffee, frühstückten und besprachen den Tag. Das ist nicht nur für einen schwäbischen Betrieb ungewöhnlich, in dem die Lebensleistung in der Regel über das optimale Ausnutzen der Tagesarbeitszeit, dem möglichst langen „Schaffen" definiert wird. 7:30 Uhr ist da mitten am Tag.

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Volker Michael
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Doch wer mindestens 5 Tage die Woche und das vielleicht bis zum 60sten (oder gar 70sten) Lebensjahr einigermaßen motiviert arbeiten muss oder möchte, tut gut daran zu erkennen, dass nicht die Länge der Arbeitszeit das Entscheidende ist, sondern die Art, wie sie absolviert wird, und die Qualität des Ergebnisses. Wer sich da Zeit nimmt und sich, ebenso wie seinen Mitarbeitern, ein „Wir-Gefühl" zu vermitteln schafft, lebt nicht nur glücklicher, sondern wird in den meisten Fällen auch erfolgreicher sein. Da bin ich ein bisschen stolz, dass wir als Vorbild taugen; denn – zumindest wird es so zurückgemeldet – nehmen uns die meisten als zufrieden und gut gelaunt wahr. Und diese Wahrnehmung trügt nicht, auch wenn auch bei uns mal etwas schiefgeht. Der Erfolg jedenfalls ist unzweifelhaft.

Wie anders sieht es an vielen anderen Stellen im GaLaBau aus. Da werde ich Teil einer Diskussion in einem „sozialen" Netzwerk, in deren Verlauf ein frisch gebackener Geselle aus NRW (Abschlussnote 1,7) im Forum fragt, ob es okay sei, wenn ihn sein Chef für 11 Euro/Stunde als Baustellenleiter weiterbeschäftigt. Das seien 2 Euro mehr, als die anderen bekämen. Nun kann man über die Naivität des jungen Mannes lachen. Das Lachen vergeht einem aber schnell, wenn man die Antworten der „alten Hasen" liest, die raten, sich erst einmal zu bewähren. Mit Verlaub – 10 Euro bekommt meine Tochter als ungelernte Aushilfe in der Gastro (die nicht wirklich für üppige Entlohnung bekannt ist).

Das Gegenteil vom morgendlichen Kaffeetrinken im Team ist, Mitarbeiter für einen Lohn zu beschäftigen, der weder zum Leben noch zum Sterben reicht – wie der Volksmund so schön sagt. Denn ein solcher Lohn drückt die Wertschätzung aus, die man der Lebenszeit eines Menschen entgegenbringt, die ja nun mal zu einem nicht unerheblichen Teil aus Arbeit besteht. Da ist kein „Wir-Gefühl". Da ist keine Perspektive (außer schnell zu gehen), und da wird auch keine Zufriedenheit entstehen.

Vielleicht sollte sich der betreffende Unternehmer auch mal morgens die Zeit für einen Kaffee nehmen, um darüber nachzudenken, weshalb er für seinen leistungsbereiten Mitarbeiter nur 11 Euro übrig zu haben meint. Da könnte – die ehrliche Selbstreflexion vorausgesetzt – so manche vermeintliche Gewissheit ins Wanken geraten.

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