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Kommentar | Tjards Wendebourg

Ich bin k.o., du bist k.o.

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Volker Michael
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Mangelsituationen sind immer auch Momente des Appells an den Wertekanon. So war es kein Wunder, dass sich der verschärfende Mangel an Fachkräften durch die Vorfrühlingsveranstaltungen zog als bunter Rückbesinnungstenor. Prof. Dr. Thieme-Hacks clowneskes „Ich bin ok, Du bist ok" in Osnabrück drückte das ganz schön aus; klingt wie Sozialpädagogen-Blabla, hatte aber einen durchaus ernst gemeinten Hintergrund.

Denn während am anderen Ende der Welt ein präsidialer Schwachkopf umnachtete Phrasen in sein Smartphone tippt, sorgt der Mangel an Manpower hierzulande dafür, dass man eher wieder nachdenklich wird; dass man sich fragt, ob es richtig sein kann, wie sich der Umgang miteinander auf der Baustelle entwickelt und ob die mangelnde Nachfrage nach Arbeitsplätzen nicht auch damit zusammenhängt, wie unser Image ist; also das, was man von uns wahrnimmt und über uns erzählt.

Und gerade die vielen politischen Geisterfahrer, die momentan allerorten unterwegs sind, sorgen dann dafür, dass wir merken, dass da was nicht stimmt. Wir merken, selbst wenn wir zuvor raubeinig oder unsensibel unterwegs waren: Die schrillen Töne der Jetztzeit sind selbst für die schlagfestesten Praktiker mehr als eine Nummer zu schrill. So will niemand behandelt werden. So will niemand über Sachverhalte verhandeln. Und so möchte auch niemand gesehen werden. Und dass sich darüber noch klare Ziele verfolgen lassen, glaubt auch niemand, der noch einigermaßen bei Trost ist.

Fairness, Wertschätzung, Partnerschaftlichkeit, Rücksichtnahme, Toleranz, Besonnenheit – das gesamte Kontrastprogramm zum aktuellen Weltgeschehen durchzog deshalb die Veranstaltungen. Man wunderte sich. Ist das nicht eigentlich selbstverständlich? War es jemals nachhaltig, den anderen übers Ohr zu hauen? Nein, war es nicht. „Es ist einfach, aber nicht leicht", zitierte Verena Stengel den US-Psychologen Marshall B. Rosenberg. Und so scheint man es nach wie vor sagen zu müssen: Ja, es lebt sich besser damit, dem anderen auch etwas zu gönnen, etwas vermitteln zu wollen, gemeinsam an einem Ziel zu arbeiten, Erfolge zu genießen und in Phasen der Niederlagen, die das Leben unvermeidlich bereit hält, Halt bei den anderen zu finden, denen man vielleicht auch schon mal geholfen hat.

Das christliche Abendland war lange ein Schlachthaus. Aber wenn man aus dem Resultat der Geschichte die Unbelehrbaren abzieht, bleibt eine Menge an Werten, die sich entwickelt haben. Die können uns vor Vielem bewahren. Da sind Konflikte auf der Baustelle und der Mangel an Fachkräften noch die kleinsten Probleme, die sich damit lösen lassen. Statt sich also die Köpfe einzuschlagen, könnten wir es doch mal „ich bin ok, Du bist ok" versuchen. Ist allemal besser, als „Du bist k.o., ich bin k.o."

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