Ohne Orthodoxie
Selbst für Klimawandelleugner wird langsam deutlich: Es wird nicht so weitergehen wie bisher. Wenn sich die Gesellschaft in ihrem Konsumverhalten und ihrer Art zu wirtschaften nicht verändert, wird sie sich verändern, zwangsweise. Letztlich geht es deshalb darum, wie wir den Prozess moderieren. Dass es nicht ohne Nebenwirkungen gehen wird, davon zeugt die Heftigkeit der laufenden Diskussion, bei der es darum geht, wer welchen Teil der Zeche zu zahlen hat.
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Offenheit, Verständnis und Kompromissbereitschaft werden die Tugenden sein, die helfen, die Transformation so schmerzfrei wie möglich zu gestalten. Sturheit, Rückwärtsgewandtheit, Dummheit und Orthodoxie die Schwächen, die das Gegenteil bewirken. Ein kleines Beispiel dafür liefert der aktuelle Heftschwerpunkt.
Es gab in den 70er- und 80er-Jahren schon mal eine kleine Vorschau auf den Kies- und Schotterwahnsinn heutiger Tage. Als Immergrüne und Koniferen in unheiliger Allianz mit Waschbeton die Gärten überfluteten, bildete sich eine kleine, radikale Protestbewegung. Über den Widerstand gegen Atomkraft und Nachrüstung wurde daraus eine Partei: Die Grünen. Parallel gab es auch auf den Garten bezogen eine Naturgartenbewegung. Doch während die Grünen sich im Laufe der Zeit zu einer ziemlich bürgerlichen Gruppierung normalisiert haben, ist der Naturgarten in der Nische steckengeblieben; in erster Linie wegen der Orthodoxie.
In Zeiten des Klimawandels müsste der Naturgarten wieder gefragter sein denn je. Und tatsächlich sind die Mitgliederzahlen beim gleichnamigen Verein auf einem Allzeithoch. Im Vergleich zu der Zahl der Gärten und den Möglichkeiten bewegt er sich aber weiter in einer klitzekleinen Nische. Und da kommt er erst raus, wenn er die Orthodoxie über Bord wirft und anerkennt, dass es keinen Sinn macht, auf kleinstem Raum eine Natur nachbauen zu wollen, die ganze andere Rahmenbedingungen hat wie das vermeintliche Original. Im urbanen Kontext brauchen wir andere Gartentypen.
Neulich stellte ein Unternehmer erschrocken die Frage, ob wir jetzt alle Naturgärten bauen müssen. Nein, müssen wir nicht. Wir wären schon weiter, wenn es gelänge, nachhaltiger zu bauen sowie die Bedürfnisse von Mensch und Umwelt in der Gestaltung zu berücksichtigen. Ich plädiere deshalb gerne dafür, naturnah zu gestalten: mehr Pflanzen (gerne auch heimische, aber weshalb nur die?), mehr Recycling, mehr Regenwassernutzung/-versickerung, mehr regionale Baustoffe, weniger Bodentausch. Einen Umdenkprozess auf der Kundenseite gibt es aber ohnehin nur, wenn der Mehrwert erkannt wird. Und: Orthodoxie führt in die Sackgasse. Immer.
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