Geben Sie einen Suchbegriff ein
oder nutzen Sie einen Webcode aus dem Magazin.

Geben Sie einen Begriff oder Webcode ein und klicken Sie auf Suchen.
KOMMENTAR | TJARDS WENDEBOURG

Die Macht der nackten Zahlen

Man möchte nicht in der Haut von Menschen stecken, die gerade Entscheidungen für ein ganzes Land fällen müssen. Sind sie zu streng, wird man ihnen vorwerfen, die Wirtschaft ruiniert zu haben. Sind sie zu lasch, droht ihnen die Verantwortung für die Toten. Beides wiegt schwer. Als in den letzten Wochen jeweils zur besten Sendezeit die aktuellen Zahlen zur Mortalität über die Bildschirme flimmerten, dürfte so manche/r nervös geworden sein. Zusammen mit den Bildern aus Bergamo oder New York wurden die Charts und Kennzahlen, die vorher keiner kannte, zum Treiber von Entscheidungen.

Veröffentlicht am
Dieser Artikel ist in der erschienen.
PDF herunterladen
Tjards Wendebourg
Tjards WendebourgVolker Michael
Artikel teilen:

Es ist wohl nur mit einer Distanzierung von Lebensrisiken und unserem Ausblenden von Tod als Bestandteil des Lebens zu erklären, dass wir uns in den letzten Wochen von Zahlen so haben in den Bann ziehen lassen. Ja, es ist eine gefährliche Seuche und sie kann tödlich enden. Aber ein bisschen Einordnung wäre schön gewesen. Ich musste selbst erst googlen, um aktuelle Daten zu finden, wie viele Menschen in Deutschland täglich sterben (rund 2.600). Und das Durchschnittsalter der Corona-Toten von 80 Jahren hat nur ein Virologe zwischen den Zeilen verraten. Unsere Lebenserwartung, soviel sei dazugestellt, beträgt derzeit durchschnittlich 80,9 Jahre.

 

Es liegt mir fern, die Pandemie zu verharmlosen. Aber wir werden lernen müssen, die nächsten Monate, vielleicht Jahre mit dem Virus zu leben. Dafür müssen wir uns nicht nur von dem furchtbar platten „Geld-oder-Leben-Narrativ" befreien, sondern auch unseren Umgang mit der Krankheit professionalisieren. Der Mundschutz wird ebenso zum selbstverständlichen Bestandteil der Persönlichen Schutzausrüstung, wie das Abstandhalten Teil unseres täglichen Zusammenlebens wird. In jedes Unternehmen gehören ein Pandemieplan und eine auf Seuchenhygiene getrimmte Sanitärausstattung. Für besonders Gefährdete brauchen wir besondere Fürsorge. Eine gesunde Risikoabwägung sollte dabei zur Grundlage aller zukünftigen Entscheidungen werden.

 

Vor dem Hintergrund der Bilder aus Italien, der Gefahren für das Gesundheitssystem, dem Druck der Nachbarländer, der Stimmung im Land und der Unerfahrenheit im Umgang mit einem sich derart schnell ausbreitenden Erreger war es alternativlos, das Land in eine Denkpause zu schicken. Auch, dass wir uns – zahlengetrieben wie unser Wirtschaftssystem ist – von neuen Daten haben treiben lassen, ist zumindest nachvollziehbar. Aber jetzt braucht es eine neue Strategie.

 

Auf unserer aller Umgang mit der Seuche wird es nun ankommen, wie viel Schaden sie uns zufügt. Je mehr Ruhe, Disziplin und Professionalität wir ihr entgegenbringen, desto eher wird sie zu einem unter vielen tödlichen Lebensrisiken, mit denen wir schon immer leben mussten.

Mehr zum Thema:
0 Kommentare
Was denken Sie? Artikel kommentieren

Zu diesem Artikel liegen noch keine Kommentare vor.
Schreiben Sie den ersten Kommentar.

Artikel kommentieren
Was denken Sie? Artikel kommentieren