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KOMMENTAR | TJARDS WENDEBOURG

Bäume beschädigen erlaubt

Dass es möglich ist, wegen eines Grenzbaumes bis vor das höchste Gericht zu ziehen, ist schon bemerkenswert genug. Dass es Leute gibt, die ihre Zeit und Ressourcen dafür einsetzen, ist traurig, aber in einer Gesellschaft der Rechthaber auch nicht mehr verwunderlich.

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Redaktion
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Eigentlich ging es nur um eine 40 Jahre alte Schwarz-Kiefer, wie sie in Berliner Gärten zu Tausenden stehen. Und es ging um Nadeln und Zapfen, die wahrscheinlich auf einen mit der Nagelschere gepflegten Rasen gefallen sind. Es ging um die dafür verantwortlichen Äste, die der Nachbar einfach abgeschnitten hatte und es ging um den Kiefernbesitzer, den die Eigenmächtigkeit des Nachbarn störte und der deshalb Klage eingereicht hatte. Wahrscheinlich ging es nicht zuletzt um einen Sack voller Eitelkeiten, männliche Breitbeinigkeit und Rechthaberei. Also, alles soweit alltäglich.

Der Bundesgerichtshof war letztlich wegen der Entscheidung eines Berufungsgerichtes angerufen worden, das dem Kläger recht gegeben hatte: Das Entfernen der Äste wäre demnach unzulässig gewesen. Dieses Urteil kassierte der BGH (siehe S. 69) und erinnerte an das sogenannte Selbsthilferecht – das grob gesagt, einem Eigentümer erlaubt, Beeinträchtigungen von seinem Grundstück fernzuhalten, und den Hauch von Selbstjustiz atmet. Denn der BGH sagt ins Umgangssprachliche übersetzt: Uns doch egal, was mit dem Baum passiert – hätten halt keine Äste überhängen dürfen.

Zwar verweist das Gericht auf die übergeordneten Baumschutzsatzungen und andere naturschutzrechtliche Regelungen. Die waren aber schon vorher dem Eigennutz und der kriminellen Energie ausgesetzt. Und so befeuert das Urteil weiter eine unselige Entwicklung, bei der es nicht mehr um den gesellschaftlichen Wert eines Baumes geht, sondern auf Biegen und Brechen um das Recht des Einzelnen. Denn es bietet eine Grundlage mehr, ein bisschen Laub auf dem Rasen oder Pollen in der Luft zum Anlass zu nehmen, den „Dreckmachern", also der Vegetation, an den Kragen zu gehen; selbst wenn diese dabei ihr Leben lässt.

Die gesellschaftliche Tendenz, den eigenen Egoismus auszuleben, gewinnt immer mehr an Fahrt. Nach dem Motto: „Für mich wird es schon noch reichen", wird Platz beansprucht, Umwelt zerstört, werden Ressourcen verbraten. Nichts darf den Aufmarschplatz des Ichs beeinträchtigen, auch keine Blätter, Nadeln und Zapfen. Dass die Gerichte mit ihren fachlich immer eingeschränkteren Blickwinkeln die Rückendeckung dafür liefern, ist ein weiterer trauriger Nebeneffekt der Juristifizierung unserer Gesellschaft.

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