Weil sie es wert sind
Von einem Mangel an Fachkräften sprechen wir schon seit Jahren. Wir kannten die Bevölkerungsentwicklung, die Statistik der Schulabgänger, den Trend zum Studium, die Entwicklung im Handwerk. Und trotzdem zeigen sich jetzt viele erstaunt und stimmen in den Trauergesang ein; so als sei der Mangel eine Art Wettererscheinung, die nun mal mit bestimmten Jahreszeiten auftritt.
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Dabei ist es ja nicht so, dass der Mangel alle betrifft. Manche Betriebe erfreuen sich reger Nachfrage; sowohl was Fachkräfte – also Wechsler – als auch Auszubildende anbelangt. Und das hat weniger etwas mit ihrer geografischen Lage zu tun, als mit der Art ihres Auftretens und der Fähigkeit, Menschen an sich zu binden. Beides kommt ja oft zusammen: Wer verstanden hat, wie er wirkt, weiß auch oft, weshalb er so wirkt und geht selbstreflektiv mit Problemen um. Stefan Momsen etwa, den wir ab Seite 32 in diesem Magazin vorstellen, hat mich mit dem Satz begeistert: „Ich bin ja das Problem, wenn etwas schiefläuft, nicht die anderen.“ Vielleicht sind diese wenig verbreitete Fähigkeit und Bereitschaft, sich selbst im Spiegel zu betrachten, die ersten Schritte dazu, dem Mangel zu begegnen. In Wirklichkeit gibt es aber gleich mehrere Stellschrauben, ihn zu reduzieren. Diese reichen vom Umbau des Portfolios von Masse zu Klasse über Mitarbeiter als Multiplikatoren, eine effektive Außendarstellung und Akquise bis hin zur Durchdringung der lokalen Bildungseinrichtungen mit der frohen Botschaft, der beste Arbeitgeber zu sein. Man kann in schlecht zahlenden Branchen wildern, eine effiziente Umschulungsstrategie aufsetzen oder Kommunikationswege in schwerer zu erreichende Zielgruppen aufbauen. Den Ideen sind keine Grenzen gesetzt.
Das Allerwichtigste sind aber Wertschätzung und die Sinnhaftigkeit des Tuns. Als mir neulich ein Unternehmer sagte, er habe Glück mit Mitarbeitern, konnte ich an der Aufstellung des Betriebs ablesen, dass „Glück“ eher Understatement war. Ja, er liegt auch regional günstig (weil in einer attraktiven Gegend), aber die Art der Aufträge, das Gemeinschaftsgefühl, die technische Ausstattung, die klare Positionierung, der Wille, von anderen zu lernen, dürften deutlich stärker die Anziehungskraft beeinflusst haben, als es das Wort „Glück“ ausdrückt.
Nichts ist attraktiver als Unternehmer, die so richtig Lust auf das haben, was sie tun. Das steckt an. Das wird weitergegeben. Das spricht sich herum. So kann es denn auch dazu führen, das „Überzeugungstäter“ viel seltener über den Fachkräftemangel klagen, als die, die sich in ihr vermeintliches Schicksal fügen.
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