Gestalten mit historischen Baumaterialien
Der Abriss von alten Häusern, Brücken und Straßen liefert oft wertvolles historisches Baumaterial, das sich hervorragend zum Gestalten von Gärten eignet. Es besticht oft durch hohe Qualität, individuelles Handwerk und Patina, erfüllt aber auch Anforderungen der Nachhaltigkeit. Unser Autor teilt mit Ihnen seine Erfahrungen.
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Historische Baustoffe sind Materialien mit Geschichte. Mein erster Kontakt mit historischen Baustoffen außerhalb von gebrauchtem Natursteinpflaster war ein Abrisshaus, gebaut um 1920. Hier konnten wir uns mit Abrissklinkern eindecken. Dummerweise und aus Unkenntnis nutzten wir die Steine als Füllmaterial für die Terrassen unseres frisch erworbenen Ommertalhofs. So versenkten wir einige Tausender, damals noch D-Mark, sinnlos im Oberbau.
1998 stand die erste England-Gartenreise an, Hauptziel Sissinghurst, wohl einer der bekanntesten Gärten der Welt. Teile der Gartenanlage befinden sich innerhalb der stehengelassenen Wände einer großen Stallung aus Feldbrandsteinen (Ziegelstein) mit alten Gusseisenfenstern. Wir waren sehr beeindruckt – so etwas sollte es auf dem Ommertalhof auch geben. Auf der Heimreise lernten wir in Belgien ein Abrissunternehmen kennen: Décomat in Herve. Der Betrieb war nicht zu übersehen: Im Vorgarten standen damals die 1 m dicken und 8 m hohen Säulen einer abgerissenen Kirche. Es gab hier einen unerschöpflichen Fundus an allem, was das Gestalterherz begehrt – von gusseisernen Zäunen und Säulen bis hin zu den ausgefallensten Steinmetzarbeiten konnten wir hier alles bestaunen und erwerben. So fing die Faszination „alte Baustoffe" bei uns an. Händler für antikes Baumaterial, Steinbruchbetriebe oder Abrissunternehmen handeln mit allem, was Handwerk in den letzten 300 Jahren geschaffen hat. Alte Baumaterialien werden beim Abriss von Straßen, Wohn- und Lagergebäuden, Brücken und sogar Kirchen gewonnen.
Mehr Qualität und Charme
Gebrauchtes Natursteinpflaster hat jeder Landschaftsgärtner schon mal in den Händen gehabt. Oftmals ist die Qualität sehr viel besser als die der neu gebrochenen Steine. Jeder Stein hat eine eigene, im Laufe der Jahrhunderte entstandene Patina. Die Oberfläche – oder die Oberflächen, je nachdem, wie oft die Steine schon verlegt waren – sind von Pferdefuhrwerken, Autos oder Fußgängern glatt geschliffen worden und ergeben, neu verlegt, einen Belag mit besonderem Flair. Außerdem verlieren Natursteine, im Gegensatz zu Betonfertigteilen, nicht an Wert. Sie sind, sofern unverfugt verlegt, jederzeit wiederverwendbar oder wieder verkaufbar. Klinker, Feldbrandsteine oder Ziegelsteine sind vor Erfindung des zementgebundenen Mörtels nur mit gebranntem Kalk verbaut worden, deshalb kann man sie oft relativ einfach säubern. Es verbleibt trotzdem eine Patina in Form von anhaftendem Kalkmörtel.
Besonders bei Feldbrandsteinen, die lokal und in einfacher Weise hergestellt wurden, gibt es vielfältige Formen und Farben. In Holzkisten wurde feuchter Lehm gepresst; die so entstandenen Rohlinge wurden in der Sonne, oft auf Stroh getrocknet und dann über oder in Holzfeuern gebrannt. Bei Temperaturen um 600°C entstanden dann ausreichend feste Ziegel für den Hausbau. Klinker, Ziegelsteine, Reichsklinker – alles Begriffe für denselben Baustoff – bekamen nach 1871, mit Gründung des Deutschen Reichs, ein mehr oder weniger einheitliches Format. 25 ×12 × 6,5 cm ist das Grundmaß mit einer Varianz von mindestens 10 %. Auch die Herstellung industrialisierte sich, mit großen Brennöfen und höheren Temperaturen, die eine bessere Festigkeit zur Folge hatten. Viele Steine zeigen auch nach Jahrhunderten Zeichen ihrer Herstellung. Das können Abdrücke von Hundepfoten, Kinderfingern oder sogar Handschriften und Stempel vom Hersteller sein.
Die Verwendung von Ziegelsteinen in Gartenanlagen, besonders an historischen Gebäuden, bedingt fast automatisch eine Verzahnung von Haus und Garten. Je nach Festigkeit können damit Terrassen, Beetumrandungen, Sitzmauern, Säulen für Pergolen oder Mauern mit antik anmutendem Ambiente gestaltet werden. In solche Mauern kann man auch alte Gusseisenfenster integrieren. So erhält man einen stimmigen, Sichtschutz oder eine Wandverkleidung von Gartenhäusern. Auch „Kunstruinen" können mit Klinkern entstehen. Hier sollte aber vorher genau kalkuliert werden, ob die „Ruine" nicht nachher die Anmutung eines Fertigteil-Baumarkterzeugnisses hat. Ein gelungenes Beispiel eines Gartens mit Ruine ist der diesjährige Gewinner „Gärten des Jahres 2020". Hier steht allerdings eine echte Ruine aus Klinkern im Gartenmittelpunkt.
Platten und Mauersteine
Format- und Polygonalplatten gibt es aus unterschiedlichsten Natursteinarten – Granit, Grauwacke, Sandstein, Blaustein, Basaltlava, um nur ein paar zu nennen. Allen gemeinsam ist die Regionalität, denn als diese Platten gewonnen wurden, war Transport schwierig und teuer. Mit Pferdekarren und bestenfalls mit der Eisenbahn konnten nur relativ geringe Entfernungen vom Steinbruch zum Verlegeort überwunden werden. Dafür sind Qualität und vor allem die abgewetzten Oberflächen der Garant für ein außergewöhnliches Terrassenbild.
Weitere historische Baustoffe sind rohe oder bossierte Mauersteine oder Steine aus alten Trockenmauern. Beim Abriss von Brücken erhält man oftmals hammerrechte, bossierte Mauersteine in sagenhaften Qualitäten zu sehr attraktiven Preisen. Vergleichbare moderne Steine sind oftmals rundum gesägt mit einer oder zwei Ansichtsseiten. Sie sind zwar einfach zu verlegen, aber weit weg von einem klassischen Verlegemuster. Das sind dann mehr gelegte Reihen. Zudem sieht man die geschnittenen Kanten, was Geschmackssache ist. Steine aus Trockenmauern sind, je nach Steinart, immer wieder zu verwenden und einfach mit neuerem Material zu kombinieren. Sämtlicher Abfall bei wiedergewonnenen historischen Steinen und Ziegeln, also historischer Bauschutt, ist frei von chemischen Beimengungen und kann somit auch leicht entsorgt oder als Füllmaterial genutzt werden.
Abrissmaterial aus Häusern ist meist zu Wechselmauerwerk oder im wilden Verband zu verarbeiten. Ebenso kann man das kalkvermörtelte Restmaterial als Oberbau oder sogar als Substrat für Mager- oder Blumenwiesen nutzen.
Warum sind historische Steine nachhaltig?
Alle genannten Werkstoffe sind in puncto Nachhaltigkeit und zuweilen auch preislich Steinen aus Indien, China, Vietnam und auch so manchem Betonfertigteil überlegen. Allein der Transport mit riesigen, Schweröl-betriebenen Containerschiffen rund um den Globus belastet die Umwelt enorm. Das Argument, dass Steine als Schiffsballast mitgeführt werden, macht das nicht besser. Fast alle diese Steine kommen an den großen Häfen wie Rotterdam an und werden von dort per Lkw über weite Strecken durch Europa gefahren.
Die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung in den Herkunftsländern entsprechen denen unserer Steinschläger und Steinbrucharbeiter des 19. Jahrhunderts, dazu kommen Kinderarbeit und fehlende Umweltauflagen.
Der ästhetische Aspekt spielt ebenfalls eine Rolle. Wie merkwürdig kommen uns zum Beispiel in Köln Häuser mit Tiroler Balkonen vor? So ist es auch mit den Materialien aus der Region. Indischer Sandstein im Bergischen Grauwackeland?
Altes Holz vor die Hütte
Weitere historische Baustoffe sind Altholz und Fachwerkbalken. Hieraus lassen sich Pergolen, Gartenhäuser, Brennholzunterstände oder Sichtschutzzäune mit individuellem Charakter herstellen. Besonders wiederverwendete Fachwerkbalken können, geschickt eingesetzt, bedeutende Akzente in Gartenanlagen setzten – zum Beispiel als Dekoelemente.
Historische Baustoffe sind oft ungenormt und nicht reproduzierbar, es erfordert Geschick und Kreativität, sie zu verarbeiten und ästhetisch ins rechte Licht zu setzen. Aber damit lassen sich unikate Gartenanlagen bauen – besonders an älteren Häusern.
Adressen von Händlern für historische Baustoffe, die der Autor selbst schon besucht hat:
- Otto Schiffarth GmbH www.schiffarth-natursteine.de
- Décomat sprl, Herve/B www.decomat-sprl.bpagina.be
- Vonderhecken Natursteinhandel www.vonderhecken.be/
- Historische Bauelemente www.historische-bauelemente.com
- Frentz Historische Baustoffe www.frentz-historische-baustoffe.de/
Frank Schroeder ist Gärtnermeister und betreibt mit seiner Frau Nicole Frank (Landwirtin) den Ommertalhof. Die Steinspezialisten schaffen mit Naturstein, Wasser Pflanzen und Holz Gärten der besonderen Art.
Kontakt: ommertalhof@gmx.de
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