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Kommentar | Tjards Wendebourg

Krauten gegen den Digitalterror

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Als ich vorletzte Woche in der Süddeutschen die Schlagzeile „Putzen ist wie Meditation" las, hat mich das neugierig gemacht. Der erste Gedanke war, dass das meine Meditation nicht ist. Aber dann habe ich den Artikel gelesen und gedacht: Die Frau hat recht.

 

Ich musste nämlich bereits bei der Überschrift an den Vortrag des hier schon einmal zitierten Kinderpsychologen Dr. med. Michael Winterhoff denken, der den Unternehmern riet, regelmäßig für zwei Stunden alleine und ohne Smartphone in den Wald zu gehen, um zu entspannen. Schon da hatte ich gedacht – auch schön, geht aber auch anders.

 

Weshalb weit gehen, wenn das Gute so nahe liegt: Mein Garten ist mein Wald. Meine Gartenpflege ist mein Putzen. Nicht falsch verstehen: Gewerbliche Grün- und Gartenpflege ist harte Arbeit. Aber mit der Felco im privaten Geviert Gehölze zu schneiden, hier und da unerwünschten Aufwuchs aus der Staudenfläche zu entfernen, das Laub von den Wegen zu harken, Rasen zu mähen oder die Hecke zu kürzen – das ist, die richtige Einstellung vorausgesetzt – die reine Meditation. Der Kopf wird frei, die Gedanken können schweifen, der Alltag beginnt sich zu relativieren.

 

Doch, dass das so ist, erschließt sich erst, wenn man einmal begonnen hat, es zu tun. Und deshalb müssen wir darüber nachdenken, wie wir es bei der Vermarktung von Gärten schaffen, die alten Bilder aus dem Kopf zu bekommen und den Leuten klarzumachen, dass wir ihnen das bieten, was sie am dringendsten brauchen: Ruhe. Ruhe vom digitalen Wahnsinn, die Chance auf eine kurze Auszeit.

 

Wir brauchen ein neues Marketing, das die Sorgen der Jetztzeit in den Mittelpunkt stellt. Abschalten vom Dauer-online-sein wird zu einem der größten Bedürfnisse der nächsten Jahre werden. Dazu kommt, dass immer neue Meldungen vom Verlust unserer Fauna und Flora in den Menschen Sehnsüchte wecken, die wir bedienen können müssen. Dabei gehört zum neuen Marketing auch, dass wir unseren Kunden Unterstützung versprechen, sodass sie das, was sie jenseits unserer Arbeit noch an Pflege leisten müssen, als „leisten dürfen" wahrnehmen können – als reinen Luxus.

 

Ganz nebenbei ist die Aussicht auf Ruhe, die nur von summenden Bienen und raschelnden Blättern unterbrochen wird, auch die beste Medizin gegen den Kies- und Schotter-Horror. Denn der ist ja in erster Linie aus der Angst hervorgegangen, sich zu all der Last des Alltags auch noch um einen Garten kümmern zu müssen. Wer aber erstmal begreift, dass die Freifläche mehr Chance als Last ist, beginnt auch anders über deren Gestaltung nachzudenken.

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