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Kommentar | Tjards Wendebourg

GaLa oder Bauer?

An dem Wochenende, an dem die Bauernverbände für den Wochenstart Demonstrationen angekündigt hatten, hatten wir uns die Freiheit genommen, in den sozialen Medien einen Post zu gestalten, der darauf hinwies, dass wir arbeiten werden und die Solidarität eher beim Einkaufen sehen als auf der Straße. Das bescherte uns nicht nur den am meisten zugestimmten Beitrag der letzten Monate, sondern auch ein bisschen Ärger.
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Redaktion
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Denn eine kleine Gruppe – darunter auch eigentlich seriöse Kollegen – wurde im Verlauf der Diskussionen so vehement, dass wir die Kommentarfunktion abschalten mussten; zum ersten Mal nach über sechs Jahren Instagram und über 1.000 Posts. Aber wenn es geschäftsschädigend wird, muss man die Reißleine ziehen.

Dabei hat der Post – der alles andere als extrem oder aggressiv formuliert war – nur gezeigt, wie hitzig und unversöhnlich die Auseinandersetzungen mittlerweile stattfinden. Es geht nicht um Agrardiesel oder das grüne Nummernschild. Mittlerweile geht es fast immer um alles – und zwar bunt zusammengemischt. Fakten – und das ist eine Beobachtung, die uns alle zu denken geben sollte – spielen zunehmend eine untergeordnete Rolle.

Zugegebenermaßen ist ein Großteil der Landwirte ganz zu Recht wütend. Denn seit Jahrzehnten fördert die europäische Agrarpolitik eine industrielle Landwirtschaft, die immer mehr Höfe als Verlierer zurücklässt. Da ist es auch verständlich, dass das Fass überläuft, wenn eine erratisch kommunizierende Regierung die Branche mit einer weiteren überstürzt gestrickten Entscheidung belastet; und das gerade im Winter und in turbulenten Zeiten, in denen ohnehin bei vielen Menschen der Kopf rattert.

Aber was hat das mit dem GaLaBau zu tun? Gibt es automatisch eine Solidarität mit der Landwirtschaft, nur weil der Landschaftsbau als Entwicklung aus dem Gartenbau historisch dazugehört? Aus meiner Sicht nicht. Erstens gibt es nicht mal innerhalb der Landwirtschaft bedingungslose Solidarität. Denn sonst würden nicht so viele Unternehmen zusperren, während andere kräftige Gewinne einfahren – zum Beispiel als Energiewirte. Dank der ungleich verteilten Subventionen geht es ja höchst ungerecht zu.

Zweitens klingt mir noch das Klagen in den Ohren, dass Landwirte, Maschinenringe und Lohnunternehmer mit steuerbegünstigten Maschinen, (dank Rückzahlung) verbilligtem Agrardiesel und reduziertem Mehrwertsteuersatz gerne mal dem Landschaftsbau Konkurrenz machen. Umgekehrt funktioniert die Solidarität also durchaus nicht automatisch.

Und drittens ist die Gemengelage in der Landwirtschaft dermaßen heterogen, dass die Lage kein „Ja, genau!“ zulässt. Auf der einen Seite müsste sich der Protest in erster Linie gegen die Handelsriesen richten, die mit ihrem rücksichtslosen Agieren für den Hauptdruck auf die Landwirte sorgen. Auf der anderen Seite möchte ich nicht wissen, wie viele Protestbeteiligte nach der Demo zu Lidl oder Aldi rennen, um billig Fleisch, Milchprodukte, Cerealien, Obst und Gemüse einzukaufen. Wenn wir nämlich ehrlich zu uns selbst wären, müssten wir uns eingestehen, dass wir mit unserem Konsumverhalten ein Teil des Problems sind. Denn auch wir als Konsumenten wollen zu großen Teilen nicht einsehen, dass eine Branche, die mit unseren wichtigsten gesellschaftlichen Gütern arbeitet – nämlich Fläche, Boden, Luft und Wasser (und dazu unseren Nahrungsmitteln) – nicht nach dem Prinzip des billigsten Preises behandelt werden darf. In den 80er-Jahren ist der für Lebensmittel aufgewendete Anteil am Einkommen auf 13 bis 15 % gefallen und verharrt seitdem auf diesem Niveau.

Ein weiterer wichtiger Grund für Landschaftsgärtnerinnen und Landschaftsgärtner, sich den Protesten lieber fernzuhalten, waren die Kreise, die jenseits der landwirtschaftlichen Organisationen zum Mitmachen aufgerufen hatten. Spätestens seit Schlüttsiel war klar, dass radikale Kräfte mit Umsturzfantasien am Start sind.

Nun muss kein Mensch von der Arbeit der Regierung begeistert sein. Wahrscheinlich sind es nicht mal die Mitglieder der Regierung selbst. Aber, bevor man etwas zu beenden trachtet – was ohnehin in diesem Falle demokratische Abläufe verlangt – sollte man mindestens eine Vorstellung davon haben, wie das Gegenmodell aussieht. Das scheint aber nicht der Fall zu sein. Denn aus Sicht der Landwirtschaft ist ja erst mal bemerkenswert, dass die jetzt aus der Politik am lautesten schreien, die über Jahrzehnte für das Dilemma verantwortlich waren oder als Populisten – auch ohne, dass sie je regiert hätten – radikalen Subventionsabbau im Parteiprogramm stehen haben. Es sei in diesem Zusammenhang auch daran erinnert, dass die Union und AfD vor Weihnachten im Haushaltsausschuss dem Abbau der Kfz-Steuervergünstigungen, die übrigens auf einer Gesetzgebungsmaßnahme von 1922 basieren, ausdrücklich zugestimmt haben.

Aus Sicht des Landschaftsbaus kann man nur sagen: Es kann nicht in unserem Interesse sein, uns daran zu beteiligen, die Gesellschaft ins Chaos zu stürzen. Damit torpedieren wir unser eigenes Geschäftsmodell. Denn das funktioniert nur in geordneten Verhältnissen; selbst, wenn sie mäßig oder schlecht regiert sind.

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