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Wissen für Ausbilder

Voraussetzungen nicht immer einfach

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 Nur soziale Kompetenz ermöglicht eine gute Ausbildung und das Arbeiten im Team.
Nur soziale Kompetenz ermöglicht eine gute Ausbildung und das Arbeiten im Team. Tjards Wendebourg
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Jugendliche, die unseren Beruf erlernen wollen, bringen schulisch, psychisch oder physisch nicht immer genügend Voraussetzungen mit. Ob wir wollen oder nicht, damit müssen wir uns auseinandersetzen. Um die jungen Menschen erfolgreich auszubilden, ist also mehr als die rein fachliche Wissensvermittlung notwendig. Auch die Persönlichkeitsentwicklung muss im Fokus stehen.

Wenn wir uns entschließen, Lehrlinge auszubilden, dann steht in der Regel der Gedanke dahinter, aus jungen Menschen Persönlichkeiten zu formen, die mit ihrem Engagement, ihren Fähigkeiten und ihrem Wissen dazu beitragen, unsere Branche und unsere Betriebe zukunftsfähig zu gestalten. Der Weg dahin scheint klar. Da bewirbt sich jemand, der mit etwas Glück eine gute Portion Interesse und eine gute körperliche Konstitution mitzubringen verspricht. Den stellen wir ein, vermitteln ihm das nötige Fachwissen und die nötigen Fertigkeiten, und am Ende der Ausbildung können wir eine neue Mitarbeiterin/einen neuen Mitarbeiter, nein eine neue Fachkraft in unserem Betrieb begrüßen.

Klingt gut, klappt aber in den wenigsten Fällen. Von den im August in die Ausbildung startenden Lehrlingen überstehen einige nicht einmal die Probezeit. Die nächsten scheitern an der Zwischenprüfung, und die Ergebnisse der Abschlussprüfungen sind vielerorts mit Durchfallquoten bis zu 80 % (!) sind mehr als beängstigend. Woran liegt’s?

Oft fehlt das „Handgepäck"

Weder die „geburtenschwachen Jahrgänge" noch der „Akademisierungswahn" sind schuld, sondern schlicht die Tatsache, dass die Bewerber nicht mehr das nötige Handgepäck mitbringen. In diesem Fall die Voraussetzungen, die es jemandem überhaupt erst ermöglichen, die für die Ausübung des Berufs notwendige Handlungsfähigkeit zu erlangen.

Die ist es, die aus einer Arbeitskraft eine Fachkraft macht. Sie ruht auf vier elementaren Säulen, den Schlüsselkompetenzen. Sie werden als Fach-, Methoden-, Sozial- und Persönlichkeits- oder Selbstkompetenz bezeichnet und durch die zunehmend an Bedeutung gewinnende interkulturelle Kompetenz ergänzt.

Vier Säulen können nur zusammen wirken

Die Ausbildung dieser Kompetenzen ist das Tragwerk für eine ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung, die sich nicht auf den Ausbildungsberuf oder die Branche beschränkt, sondern sich auf alle Lebenslagen auswirkt und vor allem im täglichen Miteinander spürbar wird. Oftmals wird der Fachkompetenz die größte Bedeutung beigemessen, schließlich umfasst sie die Fähigkeiten, die in den berufsspezifischen Lernzielen niedergeschrieben und definiert sind. Die Säulen sind aber nicht isoliert zu betrachten. Sie müssen zusammenwirken und im Verhältnis zueinander passen, damit das Bauwerk tragfähig wird. So wie nach dem Liebigschen Minimumgesetz, dass das Wachstum von Pflanzen durch die im Verhältnis knappste Ressource (Nährstoffe, Wasser, Licht etc.) eingeschränkt wird, so gerät auch die Handlungskompetenz in Schieflage, wenn eine der tragenden Säulen zu kurz ist.

Fachkompetenz kann nicht erreicht werden ohne eine solide Methodenkompetenz. Nur wer imstande ist, sich Informationen zu beschaffen, diese zu strukturieren, Ergebnisse auszuwerten, zu interpretieren und zu präsentieren, dem wird es gelingen, sich Fach- und Allgemeinwissen anzueignen. Methodenkompetenz wiederum kann niemals ohne Selbst- und Sozialkompetenz zu erreichen sein. Anpassungsfähigkeit, Ausdauer, Durchhalte- und Durchsetzungsvermögen, aber auch Verantwortungsbewusstsein, Selbstreflexion, Entscheidungsfähigkeit und Eigeninitiative sind die Bausteine der Selbst- oder Persönlichkeitskompetenz.

Zusammen mit der Sozialkompetenz, die sich durch die Fähigkeit zur Kommunikation, durch Kooperations- und Konfliktlösungsbereitschaft und Motivationsfähigkeit ebenso auszeichnet wie durch Empathie und Toleranz, bildet sie die wichtigste Basis, deren Fundament schon in früher Kindheit gelegt wird.

Mehr als reine Berufsausbildung

Oft bröckelt es an einer oder sogar an mehreren Säulen, und die Aufgaben, denen sich die Betriebe und insbesondere die Ausbildenden stellen müssen, gehen mittlerweile weit über die reine Berufsausbildung hinaus. Dabei liegt die größte Schwierigkeit nicht darin, die fachlichen Fähigkeiten zu vermitteln, sondern darin, die Jugendlichen, die zum Teil große physische und vor allem psychische Probleme mit in die Betriebe bringen, aufzufangen, zu unterstützen und zu motivieren. Der Druck, der dabei auf den Ausbildenden lastet, ist groß, denn um das Ausbildungsziel erreichen zu können, müssen zuerst die Kompetenzen entwickelt werden.

Einfachste Grundlagen müssen vermittelt werden

Immer wieder stellen wir fest, dass Bewerbern Kompetenzen teilweise oder fast völlig fehlen und wir den Startern erst einmal grundlegende und für uns selbstverständliche Dinge vermitteln, damit sie im Betriebsalltag den einfachsten Anforderungen gewachsen und damit ausbildungsfähig sind. Zu den Schwierigkeiten, die der Wechsel von der Schule in den Berufsalltag für die meisten mit sich bringt, kommt, dass nun Kompetenzen gefragt sind, die bisher vielleicht von untergeordneter Bedeutung waren. Dazu gehören oft einfache Umgangsformen und ein Mindestmaß an körperlicher und psychischer Belastbarkeit.

Jemandem, der nach etlichen Semestern sein Studium abbricht, um den Gärtnerberuf zu lernen, mangelt es vielleicht weniger an Methodenkompetenz als jemandem, der nur die allernötigsten Schuljahre abgesessen und nie gelernt hat, sich Lernstoff selbst zu beschaffen. Aber irgendein Päckchen bringen inzwischen die meisten Bewerber mit. Die Bandbreite ist groß und reicht von Lernschwierigkeiten über Drogenkonsum, Schulden bis hin zu Burnout und therapiebedürftigen Aggressionen gegen sich selbst und andere. Dazu kommen Sprachschwierigkeiten oder kulturelle und gesellschaftliche Hürden.

Im täglichen Miteinander und im Betriebsalltag wird nun aber vorausgesetzt, dass im Team zusammengearbeitet wird. Fragen müssen gestellt und nötige Dinge besprochen, Erwartungen und Aufgabenstellungen müssen erkannt werden, und gegebenenfalls muss man sich Hilfe holen. Dazu braucht es Kommunikations-, Lern- und Kritikfähigkeit und körperliches und mentales Durchhaltevermögen.

Selbst- und Sozialkompetenz am wichtigsten

Die Säulen, denen wir die meiste Aufmerksamkeit schenken müssen, sind also die Selbst- und die Sozialkompetenz, und zwar unabhängig davon, welcher Schulabschluss der Ausbildung vorausgeht. Das größte Problem, dem wir dabei gegenüberstehen, ist die Tatsache, dass das Fundament für diese Säulen schon in frühester Kindheit gelegt wird. Jemand, der sich bei uns um einen Ausbildungsplatz bewirbt, ist immerhin schon durch sein Elternhaus und mindestens neun Schuljahre geprägt. Manchmal sorgt das für die nötige Stabilität, manchmal müssen wir nur noch ein paar Steine ergänzen und manchmal ein bisschen mehr nachhelfen.

Hin und wieder gibt es Fälle, bei denen wir auf die Unterstützung Dritter angewiesen sind. Wenn Auszubildende mit schwerwiegenden psychischen oder gesundheitlichen Problemen zu kämpfen haben, bleibt uns nur, das Gespräch zu suchen, auf professionelle Hilfe zu verweisen und zu vermitteln, wenn Bedarf besteht. Schon im Vorfeld erkennen und einschätzen zu können, welche Voraussetzungen, aber auch welche „Baustellen" ein Bewerber mitbringt, wird immer mehr an Bedeutung gewinnen. Denn nicht nur die Auszubildenden, sondern auch die Ausbilder vor Ort müssen an ihren Aufgaben wachsen können.

Rotenburg an der Wümme

Bild:

www.dega-galabau.de

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Florian Lau ist Gärtnermeister und staatlich geprüfter Agrarbetriebswirt. Seit Oktober 2018 ist er in Vollzeit als übergeordneter Ausbilder für die Auszubildenden an allen Standorten der in Rotenburg/Wümme ansässigen Grewe-Gruppe zuständig. f.lau@grewe-gruppe.de
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