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Als Flüchtling in der Ausbildung

Im Beruf schon fast angekommen

Theresa Hirschbeck hilft bayerischen Betrieben, die sich für die Integration und Ausbildung von Flüchtlingen interessieren. Sie ist auch für Noor Agha Haydari zuständig, der aus Afghanistan geflohen ist und nun bei Josef Saule in Augsburg eine GaLaBau-Ausbildung macht. Hier beschreibt sie, wie das funktioniert.

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Klassenlehrer Konrad Lindner hilft seinem afghanischen Schüler Noor Agha Haydari bei der Bewältigung der Lernprobleme.
Klassenlehrer Konrad Lindner hilft seinem afghanischen Schüler Noor Agha Haydari bei der Bewältigung der Lernprobleme.Berufsschule Höchstädt
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Seit einem Jahr bildet die Josef Saule GmbH ihn aus, den jungen Mann mit dem schüchternen Lächeln. Noor Agha Haydari ist Mitglied im Kegelverein, kocht leidenschaftlich gern und spielt in den Pausen mit seinen Kollegen Karten. Landschaftsgärtner ist er mit Leib und Seele: „Es macht mich stolz, wenn ich sehe, was wir gebaut haben. Am besten gefällt es mir, mit Maschinen zu arbeiten. Aber auch Pflastern finde ich schön.“ Kaum zu glauben, dass der 26jährige Azubi im zweiten Lehrjahr erst vor drei Jahren als Geflüchteter nach Deutschland gekommen ist.

„Vor allem die Fachsprache war anfangs sehr schwer für Noor“, merkt seine Patin Pervin Turhan an. „Das GaLaBau-Bilderwörterbuch des Ulmer-Verlags kam daher wie gerufen. „Wir arbeiten jeden Tag mit dem Bilderwörterbuch. Das hilft ihm sehr. Inzwischen schreibt Noor völlig selbstständig die täglich genutzten Utensilien in sein Berichtsheft.“

Da er in Afghanistan in der Baubranche gearbeitet hat und seine Familie mehrere Traubenfelder besaß, brachte er schon viel praktische Erfahrung aus seiner Heimat mit. Inzwischen ist er ein fester Bestandteil der Firma und unterstützt bereits die neuen Azubis, von denen einer ebenfalls aus Afghanistan stammt.

Auch in der Berufsschule Höchstädt fühlt sich Haydari wohl. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich sowohl die Berufsschule als auch das Schülerheim große Mühe geben, auf die Bedürfnisse aller Personengruppen einzugehen. „Bei uns gibt es jeden Tag ein vegetarisches Gericht. Dadurch ist sichergestellt, dass Personen, die auf Schweinefleisch verzichten möchten, mindestens eine Alternative zur Auswahl haben. Während des Ramadans stellen wir zudem nach Sonnenuntergang nochmals Essen zur Verfügung.“, erklärt Jörg Krämling, der Leiter des Schülerheims. „Falls wir bei einer Person speziell etwas beachten sollen, können die Betriebe das gerne auf den Zettel der Anmeldung notieren.“ Oft seien Geflüchtete allerdings sehr gut organisiert und kämen zum Teil sogar in Begleitung von Ehrenamtlichen. „Außerdem haben wir viele sehr hilfsbereite Schüler, die bei Fragen gerne weiterhelfen“, ergänzt Krämling lächelnd.

Doch die schulische Ausbildung stellt eine gewisse Herausforderung für Haydari dar: „Es ist sehr anstrengend, den ganzen Tag Informationen in einer Sprache aufzunehmen, die nicht meine Muttersprache ist.“ Deshalb ist er froh, dass Schüler mit sprachlichem Förderbedarf in Höchstädt nicht nur eine Zeitverlängerung (25 %) in den Schulaufgaben erhalten können, sondern auch Deutschunterricht statt Ethik und eine zusätzliche Stunde Förderunterricht. Dieses Jahr möchte er zudem an dem Mentoren-Programm teilnehmen. Im Rahmen dieses Projekts finden sich Lerngruppen zusammen, die sich mindestens zehn Mal pro Schuljahr treffen, um den Stoff der Berufsschule zu wiederholen. „Das Programm kommt sehr gut bei den Schülern an. Bei einer Evaluation hat die Hälfte der Teilnehmer angegeben, durch die Lerngruppen bessere Noten zu schreiben“, freut sich Elisabeth Dick. Die engagierte Lehrerin hat das Projekt vor vier Jahren ins Leben gerufen.

Auch der ehrenamtliche Ausbildungspate, der Herrn Haydari über die bundesweite Initiative „VerA“ zur Seite gestellt wurde, begleitet den Azubi bei der Prüfungsvorbereitung. Dank seines Fleißes und der umfassenden Hilfestellung hat Herr Haydari, der als Analphabet nach Deutschland kam, schon viel erreicht. Sollte es ihm dennoch nicht gelingen, in der Zwischenprüfung ein zufriedenstellendes Ergebnis zu erzielen, kann er sich gut vorstellen die 11. Klasse freiwillig zu wiederholen.

Diese lösungsorientierte Einstellung begrüßt auch die Berufsschule. Konrad Lindner, der Koordinator der Flüchtlingsbeschulung in Höchstädt erklärt: „Wenn die Noten der Zwischenprüfung darauf hindeuten, dass eine erfolgreiche Abschlussprüfung gefährdet ist, ist die Wiederholung der 11. Klasse aus unserer Sicht äußerst empfehlenswert. Denn das Nichtbestehen der Abschluss-Prüfung ist für die Azubis psychisch belastend. Durch eine freiwillige Verlängerung der Ausbildung haben Personen mit Flucht- und Migrationshintergrund die Möglichkeit, ihre Kenntnisse der deutschen Sprache und der GaLaBau-Theorie weiter zu verbessern.“ Ausländerrechtlich steht dem nichts entgegen. Noor Agha Haydari wird hierfür allerdings die formale Erlaubnis der Ausländerbehörde benötigen. Denn sein Asylverfahren läuft noch. Falls sein Asylantrag endgültig negativ entschieden wird, kann er die Ausbildung sehr wahrscheinlich fortführen und auch danach noch mindestens zwei Jahre weiterarbeiten (sog. 3+2-Regelung). Doch eine Rest-Unsicherheit bleibt: „Ich denke viel über die Zukunft nach und an meine Familie. Ich habe Angst, abgeschoben zu werden.“, offenbart Haydari. „Mein Vater war Kommandant gegen die Taliban. Die Taliban haben sich inzwischen unsere Traubenfelder angeeignet und unser Winterhaus besetzt. Was passiert mit mir, wenn ich zurück nach Afghanistan muss?“ Diese Sorgen betreffen nicht nur ihn. Er teilt sie mit vielen seiner Mitschüler und Freunde. Das erschwert den jungen Leuten nicht nur die Konzentration auf den Unterricht, sondern führt immer wieder auch zu depressiven Verstimmungen. „Als ich sehr niedergeschlagen war, habe ich sogar schon darüber nachgedacht, alles hinzuschmeißen. Aber ich versuche, immer weiter zu kämpfen.“

Für Helmut Nebel, den Leiter der Berufsschule Höchstädt, ist es vollkommen unverständlich, wieso man diese Menschen so lange im Ungewissen lässt: „Es ist dringend an der Zeit, endlich den Spurwechsel vom Geflüchteten zum Arbeitsmigranten zuzulassen. Der GaLaBau braucht diese Leute, denn die Betriebe bekommen oft keinen anderen. Wieso macht man es motivierten Menschen so schwer, obwohl sie sich hier gut integriert haben und eine Ausbildung oder Arbeit gefunden haben? Die vielfältigen Kulturen der Auszubildenden sind doch eine Bereicherung für uns!“ Ähnlich sieht es auch Jörg Krämling: „Oft wissen wir viel zu wenig über die Herkunftsländer und Sitten der Azubis mit Flucht- und Migrationshintergrund. Deshalb planen wir für dieses Schuljahr Themenabende, an denen die Jugendlichen ihr Land vorstellen. Passend dazu soll es für das jeweilige Land typische Spezialitäten im Bistro geben. Damit möchten wir nicht nur das Verständnis der Schüler untereinander fördern, sondern auch deren Selbstbewusstsein. Die Azubis sollen wissen, dass hier jeder willkommen ist“

> Link zu den Willkommenslotsen in Deutschalnd

> Sammlung weiterer hilfreicher Links zum Thema Integration und Ausbildung von Flüchtlingen

 

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